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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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überwinden versuchte. Was jetzt? überlegte ich. Sollten wir sagen, daß es nett war, sich kennengelernt zu haben, und uns davonmachen, wie Schiffe, die aus dem Hafen segeln? Das wollte ich eigentlich nicht.
    Ich beschloß, ihn etwas zu fragen. Die meisten Menschen schienen gern über sich selbst zu sprechen.
    »Wie alt bist du?«
    »So alt wie die Berge, und so jung wie der Morgen, Lucy Sullivan.«
    »Würde es dir was ausmachen, ein bißchen genauer zu werden?«
    »Vierundzwanzig.«
    »Gut.«
    »Genauer gesagt neunhundertvierundzwanzig.«
    »Tatsächlich?«
    »Und du, Lucy Sullivan?«
    »Ich bin sechsundzwanzig.«
    »Hmmm. Ist dir klar, daß ich dein Vater sein könnte?«
    »Mit neunhundertvierundzwanzig Jahren könntest du sogar mein Großvater sein.«
    »Wohl wahr.«
    »Für dein Alter hast du dich verdammt gut gehalten.«
    »Ein tugendhaftes Leben, Lucy Sullivan – und mein Pakt mit dem Teufel.«
    »Was war das?« Die Sache gefiel mir. Ich amüsierte mich königlich.
    »Ich bin in den neunhundert Jahren, die ich jetzt schon auf dich warte, nicht älter geworden, aber sollte ich je einen Fuß in ein Büro setzen, um einen normalen Beruf auszuüben, würde ich augenblicklich altern und sterben.«
    »Merkwürdig«, sagte ich, »genau das passiert mir jedesmal, wenn ich zur Arbeit geh, nur daß ich keine neunhundert Jahre darauf warten mußte.«
    »Arbeitest du etwa in einem Büro?« fragte er voll Entsetzen. »Ach, meine arme kleine Lucy, das ist nicht recht. Du müßtest deine Tage damit zubringen, in deinem güldenen Kleid auf einem seidenen Bett zu liegen und inmitten deiner Untertanen und Bewunderer süßes Gebäck zu knabbern.«
    »Da bin ich ganz deiner Meinung«, sagte ich aus tiefstem Herzen, »außer der Sache mit dem süßen Gebäck. Hättest du was dagegen, wenn es Schokolade wäre?«
    »Nicht die Spur«, sagte er mit großer Geste. »Also Schokolade. Und wo wir schon von einem seidenen Bett sprechen – fändest du es schrecklich vermessen, wenn ich dich fragte, ob ich dich nach Hause begleiten darf?«
    Ich öffnete den Mund. Mir war vor Schreck schwindlig.
    »Verzeih mir, Lucy Sullivan«, sagte er und griff nach meinem Arm. Auf seinem Gesicht lag ungeheucheltes Entsetzen. »Ich kann selbst nicht glauben, was ich da gesagt hab. Streich es bitte aus deinem Gedächtnis, versuch zu vergessen, daß ich es gesagt hab, daß mir je was so Unfeines über die Lippen gekommen ist. Der Blitz soll mich treffen – ach was, das ist noch zu gut für mich.«
    »Schon gut«, sagte ich freundlich und war von seiner Zerknirschung beruhigt. Wenn ihm das so peinlich war, dürfte es kaum zu seinen Gewohnheiten gehören, sich selbst bei jungen Frauen einzuladen, die er gerade erst kennengelernt hatte.
    »Nein, es ist nicht gut«, sagte er zerknirscht. »Wie konnte ich einer Frau wie dir so was sagen? Ich geh jetzt einfach, und du vergißt am besten, daß du mir je begegnet bist. Es ist das mindeste, was ich tun kann. Gute Nacht, Lucy Sullivan!«
    »Bitte geh nicht«, sagte ich, ganz aufgeschreckt. Auch wenn ich nicht sicher war, ob ich ihn im Bett haben wollte, sollte er auf keinen Fall gehen.
    »Du meinst, ich soll bei dir bleiben, Lucy Sullivan?« fragte er mit scheuer Miene.
    »Ja!«
    »Wenn es dir damit ernst ist... wart mal, ich hol nur schnell meinen Mantel.«
    »Aber...«
    Großer Gott! Ich hatte gemeint, daß er auf der Party bleiben und weiter mit mir reden sollte. Er aber schien das so ausgelegt zu haben, als sollte er zu mir aufs seidene Bett mit dem süßen Gebäck kommen und dort bleiben. Da ich fürchtete, ihn durch eine Klarstellung zu verärgern, sah es ganz so aus, als stünde mir ein Übernachtungsgast ins Haus.
    Er kam sehr viel schneller zurück als beim vorigen Mal und brachte einen Mantel, einen Pullover und mehrere Schals angeschleppt.
    »Ich bin bereit, Lucy Sullivan.«
    Kann ich mir denken, dachte ich und schluckte meine Nervosität herunter.
    »Da ist nur noch eine Sache, Lucy.«
    Was würde wohl jetzt kommen?
    »Wahrscheinlich reicht mein Geld nicht, um meinen Anteil am Taxi zu bezahlen. Bis Ladbroke Grove ist es ziemlich weit, was?«
    »Wieviel hast du denn?«
    Er holte eine Handvoll Münzen aus der Tasche. »Mal sehen: vier Pfund... fünf Pfund... ach nein, ’tschuldige, das sind Peseten. Fünf Peseten, ein Zehn-Cent-Stück, ein wundertätiges Medaillon und sieben, acht, neun,... elf Pence!«
    »Laß es gut sein«, lachte ich. Was hatte ich denn erwartet? Ich konnte mir nicht gut einen

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