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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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eigentlich...«
    »Keine Sorge, Lucy Sullivan. Ich nehm’ ab und zu – wirklich nur ganz selten – ein leichtes bewußtseinserweiterndes Mittel oder was zur Entspannung, nichts weiter. Es ist auch nur ganz wenig. Mit Bier sieht das anders aus. Ich muß zugeben, daß ich dem oft zuspreche, früh am Tag und in großen Mengen.«
    »Das ist schon in Ordnung«, sagte ich. Mit Männern, die tranken, hatte ich keine Probleme.
    Allerdings fragte ich mich, sollte er gerade jetzt unter dem Einfluß eines Rauschmittels stehen – hieß das, daß er normalerweise keine Geschichten erzählte, sich nichts ausdachte und genauso langweilig war wie alle anderen? Hoffentlich nicht. Es wäre unerträglich enttäuschend, wenn dieser hinreißende, bezaubernde, ungewöhnliche Mann mit den letzten Spuren der Droge aus seinen Adern dahinschwände.
    »Bist du auch sonst so?« fragte ich vorsichtig. »Äh, ich meine, denkst du dir Sachen aus, erzählst Geschichten und so? Oder liegt das nur an den Drogen?« Er sah mich aufmerksam an, wobei ihm die glänzenden Locken in die Stirn fielen.
    Wieso kann ich nicht so glänzendes Haar haben, fragte ich mich abwesend. Was für eine Pflegespülung er wohl nimmt?
    »Eine wichtige Frage, nicht wahr, Lucy Sullivan?« fragte er, den Blick nach wie vor auf mich gerichtet. »Davon hängt viel ab.«
    »Find ich schon«, murmelte ich.
    »Aber ich muß offen mit dir sein«, sagte er streng, »und darf dir nicht einfach sagen, was du gern hören möchtest, oder?«
    Ich war nicht sicher, ob ich dem zustimmte. In einer unvorhersagbaren und unangenehmen Welt war es zugleich ungewöhnlich und angenehm zu hören, was ich gern gehört hätte.
    »Wird schon stimmen«, seufzte ich.
    »Bestimmt gefällt dir nicht, was ich dir jetzt sage, aber ich bin der Ansicht, daß ich moralisch dazu verpflichtet bin.«
    »Nur zu«, sagte ich traurig.
    »Mir bleibt keine Wahl.« Er fuhr mir sacht mit der Hand über das Gesicht.
    »Ich weiß.«
    »Ach je!« Mit einem Mal sprach er überlaut und schwang theatralisch die Arme durch die Luft, was ihm besorgte Blicke aus allen Richtungen eintrug. Sogar von der Hintertür, die aus der Küche in den Garten führte, sah man zu ihm hin. »›O welch verworrnes Netz wir weben, wenn wir einander zu täuschen streben‹. Würdest du dem zustimmen, Lucy Sullivan?«
    »Ja.« Ich lachte. Ich konnte nicht anders, weil er so verrückt und lustig war.
    »Kannst du weben, Lucy? Nein? Daran gibt es heutzutage keinen großen Bedarf. Ein aussterbendes Handwerk, die Weberei. Ich kann es auch nicht besonders gut – hab zwei linke Füße. Und jetzt die reine und unverfälschte Wahrheit, Lucy Sullivan...«
    »Nur endlich raus damit.«
    »Wie du willst! Ich bin sogar noch schlimmer, wenn ich nicht auf Drogen bin. So! Ich hab es gesagt. Ich vermute, daß du jetzt auf und davon gehst und nichts mehr von mir wissen willst.«
    »Eigentlich nicht.«
    »Aber hältst du mich nicht für überspannt und meinst, daß man sich für mich schämen muß, weil ich mich unmöglich aufführe?«
    »Doch.«
    »Willst du damit sagen, daß überspannte Leute, für die man sich schämen muß und die sich unmöglich aufführen, genau deine Kragenweite sind, Lucy Sullivan?«
    Eigentlich hatte ich noch nie so richtig darüber nachgedacht, aber wo er das jetzt so formulierte...
    »Ja«, sagte ich.

19
    E r nahm mich bei der Hand und führte mich durch die Diele. Ich ließ es zu. Wohin er wohl mit mir will? dachte ich ganz aufgeregt. Als ich mich an Daniel vorbeischob, hob dieser erst fragend eine Braue und dann mahnend den Zeigefinger, aber ich achtete nicht auf ihn. Er hatte es schließlich nötig.
    »Setz dich dahin, Lucy Sullivan.« Gus wies auf die unterste Treppenstufe. »Hier können wir uns in aller Ruhe unterhalten.«
    Angesichts des Stroms von Menschen, der sich die Treppe hinauf und hinab wälzte und der das Gewimmel der Fußgänger auf der Oxford Street deutlich übertraf, kam mir das ausgesprochen unwahrscheinlich vor. Ich war nicht sicher, was da oben vor sich ging – vermutlich das Übliche: Die einen nahmen Drogen, die anderen trieben es mit dem Freund der besten Freundin auf deren Mantel und diese Sachen.
    »Tut mir leid, wenn ich dir vorhin ’nen Schreck eingejagt hab, aber ich war fest überzeugt, daß du irgend so ’ne Art kreativer Mensch wärst«, sagte Gus, als ich meinen Platz am Fuß der Treppe eingenommen hatte.
    »Ich bin Musiker, und die Musik ist meine große Leidenschaft«, fuhr er fort.

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