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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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»Deshalb vergeß ich manchmal, daß nicht alle Leuten so sind.«
    »Ist schon in Ordnung«, sagte ich begeistert. Nicht nur war er nicht verrückt – er war Musiker. Mir waren Musiker, Autoren oder in irgendeiner Weise an einem Schöpfungsprozeß beteiligte Männer, die sich aufführten wie am Leben leidende Künstler, schon immer die liebsten gewesen. Ich hatte mich noch nie in einen Mann mit einem normalen Beruf verliebt und hoffte, daß es nie dazu kommen würde. In meinen Augen gab es nichts Langweiligeres als Männer mit regelmäßigem Einkommen, Männer, die vernünftig mit Geld umgingen oder Männer, die es fertigbrachten, mit ihrem Einkommen auszukommen. Finanzielle Unsicherheit war für mich geradezu ein Aphrodisiakum. In diesem Punkt gingen meine Ansichten und die meiner Mutter weit auseinander. Das lag daran, daß sie auch überhaupt keinen Sinn für Romantik hatte, während ich von Grund auf romantisch war, bis auf die Knochen sozusagen: Mein ganzes Skelett war romantisch – Elle, Speiche, Kniescheibe, Oberschenkelknochen, das Becken (vor allem das!), Brustbein, Oberarmknochen, Schulterblatt – offen gesagt beide Schulterblätter –, verschiedene Wirbel, eine ganze Anzahl Rippen, eine Fülle von Mittelfußknochen, nahezu ebensoviele Mittelhandknochen, die ganz winzigen Knöchlein in meinem Innenohr – jeder einzelne von ihnen war romantisch.
    »Du bist also Musiker?« fragte ich interessiert. Vielleicht hatte ich deshalb geglaubt, ihn zu kennen, möglicherweise hatte ich ihn gesehen, von ihm gehört oder irgendwo ein Bild von ihm gesehen.
    »So ist es.«
    »Bist du berühmt?«
    »Berühmt?«
    »Ja. Kennt dich jeder?«
    »Lucy Sullivan, mich kennt niemand, aber auch gar niemand.«
    »Ach.«
    »Jetzt bist du enttäuscht, was? Wir kennen uns erst ein paar Augenblicke und stecken schon mitten in einer Krise. Wir werden eine Beratungsstelle aufsuchen müssen. Warte hier, ich besorg ein Telefonbuch und such die Nummer raus.«
    »Kommt überhaupt nicht in Frage«, lachte ich. »Ich bin nicht enttäuscht. Du kamst mir nur so bekannt vor, aber ich wußte nicht, woher, und so dachte ich, es käm vielleicht daher, daß du berühmt bist.«
    »Willst du damit sagen, daß wir uns nicht kennen?« fragte er. Es klang entsetzt.
    »Eigentlich nicht«, sagte ich belustigt.
    »Wir müssen uns kennen«, beharrte er. »Wenn schon nicht aus diesem Leben, dann aus einem früheren.«
    »Das ist alles gut und schön«, sagte ich nachdenklich. »Aber selbst wenn wir uns aus einem früheren Leben kennen sollten, wer sagt uns dann, ob wir einander damals sympathisch waren? Die Frage hat mir schon immer Kopfzerbrechen bereitet: Nur weil Leute sich aus einem früheren Leben kennen, muß das nicht heißen, daß sie sich mögen, oder?«
    »Da hast du völlig recht«, sagte Gus und nahm meine Hand fest in seine. »So denke ich schon lange, aber du bist der erste Mensch, der mir darin zustimmt.«
    »Stell dir zum Beispiel vor, ich wäre in einem früheren Leben deine Chefin gewesen – dann würde es dir wahrscheinlich nicht besonders gefallen, mir wieder zu begegnen, was?«
    »Gott im Himmel, was für ein entsetzlicher Gedanke! Da stirbt man, reist durch Raum und Zeit, wird wiedergeboren, und das alles, um aufs neue denselben verdammten Hornochsen zu begegnen, die man schon vom vorigen Mal kennt. ›Weißt du noch, wer ich bin, na, damals im alten Ägypten? – schön, dann geh zurück und bring die Sache mit der Pyramide in Ordnung, die du seinerzeit versaut hast.‹«
    »Genau. Oder ›Erinnerst du dich an mich? Ich war der Löwe, der dich in Rom gefressen hat, weil du Christ warst. Weißt du es jetzt wieder? Gut, dann laß uns heiraten‹.«
    Gus lachte entzückt. »Du bist köstlich. Bestimmt sind wir beide gut miteinander ausgekommen, ganz gleich, in welchem Leben wir uns begegnet sind. Ich hab bei dir ein gutes Gefühl – vermutlich hast du mir den Pythagoras erklärt, als er selbst mit mir die Geduld verloren hatte. Der Bursche war ja ziemlich unbeherrscht. Oder du hast mir um die Jahrhundertwende Geld geliehen oder sonst was Nettes. Ist eigentlich noch mehr von dem Guinness da?«
    Ich schickte Gus zum Kühlschrank, setzte mich auf die Treppe und wartete. Ich war aufgeregt, begeistert und zersprang fast vor Glück. Was für ein wunderbarer Mann! Ich war richtig froh, daß ich mitgekommen war – bei der Vorstellung, nicht zu der Party gegangen zu sein und ihn nie kennengelernt zu haben, gefror mir das Blut in den

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