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Lucy Sullivan wird heiraten

Lucy Sullivan wird heiraten

Titel: Lucy Sullivan wird heiraten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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Adern. Vielleicht hatte Mrs. Nolan doch recht gehabt. Gus konnte Der Eine sein, auf den ich immer gewartet hatte.
    Bei ›Warten‹ fiel mir ein: Wo zum Teufel blieb er eigentlich? Wie lange brauchte man zum Kühlschrank, um Daniels restliche Guinnessdosen zu klauen?
    War Gus nicht schon ewig lange fort? Hatte er, während ich verträumt und mit dem Grinsen einer Halbirren auf der Treppenstufe saß, womöglich eine andere in ein Gespräch verwickelt und mich einfach vergessen? Langsam wurde ich unruhig.
    Wie lange soll ich warten, bis ich anfange, nach ihm zu suchen? überlegte ich. Was mochte da als angemessener Zeitraum gelten? War es nicht – sogar für meine Vorstellungen – ein bißchen früh in unserer Beziehung, daß ich mir seinetwegen den Kopf zerbrach?
    Schlagartig war es mit dem Zustand träumerischer und glückseliger Selbstversunkenheit vorbei. Ich hätte mir gleich denken können, daß es zu schön war, um wahr zu sein. Mir wurde der Lärm und das Gedränge um mich herum bewußt – über dem Gespräch mit Gus hatte ich die anderen vollständig vergessen –, und ich fragte mich, ob sie mich wohl alle auslachten. Waren sie Zeugen gewesen, wie Gus Tausende von Frauen so behandelt hatte? Konnten sie meine Ängste spüren?
    Aber da war er ja! Allerdings sah er ein wenig zerzaust aus.
    »Lucy Sullivan«, erklärte er mit einer gewissen Besorgnis und Unruhe in der Stimme, »es tut mir leid, daß es so lange gedauert hat, aber ich hatte gerade einen schrecklichen Auftritt.«
    »Großer Gott«, lachte ich. »Was war denn los?«
    »Am Kühlschrank hat sich jemand das Guinness von deinem Freund Donal anzueignen versucht. ›Her damit‹, hab ich ihn angebrüllt. ›Ich denk nicht dran‹, sagt der darauf. ›Doch‹, sag ich. ›Die gehören mir‹, sagt er. ›Stimmt ja gar nicht‹, sag ich. Dann ist es zu einer Rauferei gekommen, bei der ich ein paar kleine Schrammen abgekriegt hab. Aber das Guinness ist in Sicherheit.«
    »Tatsächlich?« fragte ich überrascht, denn Gus hatte eine Flasche Rotwein in der Hand. Von Bierdosen war nichts zu sehen.
    »Ja, Lucy, ich hab das höchste Opfer gebracht. Es ist in Sicherheit, und niemand wird je wieder versuchen, es zu klauen.«
    »Was hast du damit gemacht?«
    »Was ich damit gemacht hab, Lucy? Getrunken natürlich. Was sonst?«
    »Äh...«
    Nervös sah ich mich um, und richtig: Durch die Geländerstäbe erkannte ich Daniel, der sich mit finsterer Miene seinen Weg durch die Diele bahnte.
    »Lucy«, rief er, »da hat doch tatsächlich irgend so ein Schweinehund unser Guinn...« Er unterbrach sich, als er Gus sah.
    »Du!« brüllte er. – Tja, offenbar waren Daniel und Gus einander schon begegnet.
    »Daniel, das ist Gus. Gus, das ist Daniel«, sagte ich matt.
    »Das ist doch der Halunke, der das Guinness von deinem Freund klauen wollte«, sagte Gus voll Empörung.
    »Ich hätte es mir denken müssen«, sagte Daniel, mit resigniertem Kopfschütteln, ohne auf Gus’ anklagend erhobenen Zeigefinger zu achten. »Wo treibst du bloß immer diese Kerle auf, Lucy? Verrat mir das doch mal.«
    »Ach, hau doch ab, scheinheiliger Scheißer«, sagte ich zornig und verlegen.
    »Kennst du den Typ etwa?« wollte Gus von mir wissen. »Ich halte nichts davon, daß du mit solchen Burschen befreundet bist. Du hättest mal sehen sollen, wie er...«
    »Ich gehe«, sagte Daniel, »und nehme Karens Wein mit.« Er entriß Gus die Flasche und verschwand damit im Gedränge.
    »Hast du das gesehen?« rief Gus. »Er hat es schon wieder gemacht!«
    Ich bemühte mich, ernst zu bleiben, aber es gelang mir nicht. Vermutlich war ich doch nicht so nüchtern, wie ich angenommen hatte.
    »Laß gut sein«, sagte ich lachend und zog ihn am Arm. »Setz dich und sei brav.«
    »Ach, jetzt heißt es auf einmal: Setz dich und sei brav?«
    »Ja.«
    »Ich verstehe!« Eine kurze Pause trat ein, während er mich anblickte, das gutaussehende Gesicht angestrengt verzogen. »Wie du willst, Lucy Sullivan.«
    »Ich will es.«
    Friedlich und mit übertrieben sanftmütigem Ausdruck setzte er sich neben mich auf die Treppe. Schweigend blieben wir einige Augenblicke so sitzen.
    »Na ja«, sagte er, »es war den Versuch wert.«

20
    S chlagartig wußte ich nicht mehr, was ich hätte sagen können. Eng an ihn gedrängt saß ich auf der Stufe und zerbrach mir den Kopf, ohne daß mir etwas eingefallen wäre.
    »Nun denn,« sagte ich mit aufgesetzter Munterkeit, mit der ich meine plötzlich aufgetretene Schüchternheit zu

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