Lucy Sullivan wird heiraten
Gewissen würde in mir weiternagen, bis ich gestand.
»Tut mir leid, Karen, wahrscheinlich ist es meine Schuld... Ich hab sie zwar nicht in die Kasse getan, aber ich bin dafür verantwortlich, daß sie im Hause sind.«
»Aber du warst doch noch nie in Spanien.«
»Nein. Gus hat sie mir gegeben. Ich wollte sie nicht nehmen und hab sie wahrscheinlich auf dem Tisch liegenlassen und irgend jemand muß sie reingetan haben, weil er gemeint hat, es wär richtiges Geld...«
»Na ja, wenn es Gus war, ist das in Ordnung.«
»Ach?« sagten Charlotte und ich überrascht wie aus einem Mund. Es kam selten vor, daß Karen so verständnisvoll und gnädig war.
»Er ist ein süßer Kerl. Richtig niedlich. Er hat zwar einen Riesensprung in der Schüssel, ist aber niedlich.«
»... Elizabeth Arden...«, lachte sie in sich hinein. »Wirklich komisch.« Charlotte und ich tauschten beunruhigte Blicke.
»Aber willst du ihm nicht eine Standpauke halten?« fragte ich aufgeregt. »Und ihn zu Mr. Papadopoulos schicken, damit er ihm erklärt, daß du kein betrügerischer schottischer Geizkragen bist und...«
»Ach was, ist schon gut«, sagte sie und machte eine wegwerfende Handbewegung.
Ich war gerührt von der Veränderung, die da mit Karen vor sich gegangen war. Sie wirkte viel weniger aggressiv als sonst, viel umgänglicher...
»Das kannst du machen«, fuhr sie fort. »Geh zu Mr. Papadopoulos und erklär die Sache.«
»Äh...«
»Du brauchst es nicht sofort zu tun. Es hat Zeit bis nach dem Abendessen. Aber vergiß nicht, daß er um acht zumacht.«
Ich sah sie mit aufgerissenen Augen an und war außerstande zu erkennen, ob es ihr damit ernst war oder nicht. Ich mußte das unbedingt wissen, denn ich wollte mich möglichst nicht unnötig aufregen.
»Du meinst das nicht im Ernst?« fragte ich hoffnungsvoll.
Nach einer kurzen Pause voller Spannung sagte sie: »Von mir aus meine ich es nicht ernst – es ist wohl besser, wenn ich nett zu dir bin, wo du doch Daniels Freundin bist und so weiter.«
Sie schenkte mir ein bezauberndes und entwaffnendes Lächeln, mit dem sie sagte ›Ich bin zwar schamlos, aber du mußt mich trotzdem mögen‹, und ich lächelte zögernd zurück.
Ich war für Offenheit. Eigentlich stimmt das nicht, denn ich hielt Offenheit für eine der überschätztesten Eigenschaften, von denen ich je gehört hatte, während Karen grundsätzlich so tat, als sei das eine große Tugend und man könne niemandem einen größeren Gefallen tun, als ihm mit brutaler Offenheit zu begegnen. Meiner Ansicht nach gab es hingegen manches, über das man nicht zu reden brauchte oder besser nicht redete. Außerdem hatte ich das Gefühl, daß manche andere schlecht behandelten, wobei sie den Satz »Das ist meine ehrliche Meinung« vorschoben. Dann durften sie böse und von ausgesuchter Grausamkeit sein und andere zugrunde richten. Anschließend sprachen sie sich mit Unschuldsmiene und einem jämmerlichen »Aber ich hab doch nur meine ehrliche Meinung gesagt« selbst frei.
Doch ich hatte kein Recht, mich über solche Menschen aufzuregen, denn wo Karen vielleicht zu forsch auf Kollisionskurs ging, hatte ich eine geradezu krankhafte Angst vor jeder Art von offener Auseinandersetzung.
»Sag ihm einfach, was für ein fabelhafter Mensch ich bin«, sagte sie, »und daß Millionen von Typen in mich verknallt sind.«
»Äh, wird gemacht«, sagte ich.
»Ich dünste ein bißchen Brokkoli«, sagte Charlotte und brachte damit die Unterhaltung in ein anderes Fahrwasser. »Möchte jemand was davon?«
»Ich dünste ein paar Karotten«, sagte ich. »Möchte jemand was abhaben?« Wir schlossen ein trilaterales Abkommen über die gerechte Verteilung unseres gedünsteten Gemüses.
»Übrigens hat Daniel angerufen«, wandte sich Karen so auffällig nebenbei an mich, daß ich mich innerlich wappnete.
»Ah, äh, gut... tatsächlich?« War das unverbindlich genug für sie?
»Mich «, sagte sie triumphierend. »Mit mir wollte er sprechen.«
»Wunderbar.«
»Er hat mich angerufen, nicht dich.«
»Großartig«, lachte ich. »Dann geht die Sache mit euch beiden ja wohl klar, was?«
»Sieht so aus«, sagte Karen selbstgefällig.
»Gut für dich.«
»Du solltest es besser glauben.«
Wir aßen unser gedünstetes Gemüse, sahen uns im Fernsehen ein paar Seifenopern und einen erschütternden Dokumentarfilm über natürliche Geburt an, bei dem sich jede in ihrem Sessel wand. Schweißbedeckte Frauen mit schmerzverzerrten Gesichtern, die keuchten,
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