Lucy Sullivan wird heiraten
beschwichtigt. Es ist weit wichtiger, daß er sich erinnert, wo er mich am Dienstag treffen soll. Vorausgesetzt, daß er es am richtigen Tag zur richtigen Zeit an die richtige Adresse schaffte, hätten wir reichlich Zeit zum Küssen.
»... fünf Uhr, Haus Nummer sechs, fünf Uhr, Haus Nummer sechs,...« war es durch die kalte Nachtluft an mein Ohr gedrungen, während er im Rhythmus seines Mantras davonging.
Da es mich fröstelte, teils wegen der Kälte, teils, weil es mich vor Wonne kalt überlief, war ich ins Haus gegangen.
Am Dienstag morgen empfand ich dann ein Gemisch aus Vorfreude und aus Furcht, er werde nicht kommen.
Ich war sicher, daß er mich mochte und mich nicht absichtlich versetzen würde, aber ich war nicht ganz sicher, ob er am Sonntag abend so betrunken gewesen war, daß er unsere Verabredung vollständig vergessen hatte.
Vorsichtshalber zog ich einen besonders hübschen Slip an. Man konnte nie wissen. Darüber zog ich mein kleines Grünes, das wie eine Jacke mit Wespentaille aussah, in Wirklichkeit aber ein außerordentlich kurzes ausgestelltes Kleid war. Dazu trug ich Stiefel. Ich bewunderte mich im Spiegel. Gar nicht schlecht, dachte ich. Sehr knabenhaft.
Dann überfiel mich plötzlich Panik. Und wenn er nun nicht kam? Warum nur hab ich mir seine Telefonnummer nicht geben lassen?, schoß es mir durch den Kopf. Ich hätte ihn darum bitten sollen, hatte allerdings befürchtet, es könnte übereifrig wirken.
Mir war klar, daß alle im Büro annehmen würden, daß ich an jenem Abend ein Rendezvous hatte, weil ich bei der Arbeit ein Kleid trug, das meinen Hintern zeigte, sobald ich die Arme hob. So waren die Leute da nun mal – man brauchte sich nur zu kämmen, schon lief ein Gerücht um, man hätte ein Auge auf einen Mann geworfen, und wenn man sich den Pony schneiden ließ, zog alle Welt daraus den Schluß, man hätte einen neuen Typen an der Hand.
Dreihundert Angestellte arbeiteten in fünf Stockwerken, und einer wie der andere steckte seine Nase in die Angelegenheiten der anderen. Das sagt eine ganze Menge über den dort herrschenden Arbeitseifer.
Man kam sich im Büro vor wie in einem Aquarium. Alles, was man tat, wurde kommentiert. Sogar Spekulationen darüber, was jemand auf dem Butterbrot hatte, konnten ohne weiteres den größten Teil eines Nachmittags füllen. (»Die hatte früher nie Ei auf dem Brot, immer Schinken. Diese Woche aber hat sie Ei. Ich würde sagen, sie ist schwanger.«)
Hauptquelle des Klatsches war Caroline, die am Empfang saß. Ihren Röntgenaugen entging nichts, und wo es nichts gab, was ihr entgehen konnte, sog sie es sich aus den Fingern. Ständig hielt sie die Vorübereilenden an und machte Bemerkungen wie »Jackie aus der Buchhaltung sieht heute ziemlich blaß aus. Hat wohl Liebeskummer, was?«
In Null Komma nichts war es im ganzen Gebäude herum, daß sich Jackie scheiden lassen wollte – und das nur, weil sie an jenem Morgen zu spät aufgestanden war und deshalb in der Frühe keine Zeit gehabt hatte, Grundierungscreme aufzutragen.
Daher dürfte einleuchten, daß ich die Vorstellung kaum ertragen konnte, wie demütigend es sein würde, den ganzen Tag halbnackt mit der Nichterledigung meiner Büroarbeit zu verbringen, wenn nicht um fünf ein Mann auftauchte, der das Ganze rechtfertigte.
Natürlich hätte ich meine Ausgehsachen in einer Tasche mit ins Büro nehmen und mich nach Feierabend umziehen können. Allerdings wäre das wahrscheinlich noch skandalöser gewesen. »Hast du Lucy Sullivan gesehen? An einem Dienstag mit kleinem Beischlafgepäck! Bestimmt hat der einer ’nen Antrag gemacht.«
Es rief ohnehin schon größtes Aufsehen im Büro hervor, als ich mich aus meinem schrecklichen braunen Wintermantel schälte und im Glanz meines kurzen Kleidchens dastand.
»Hoppla«, stieß Megan heraus. »Du siehst aber heute unternehmungslustig aus!«
»Wie heißt er?« wollte Meredia wissen.
»Äh...« Ich errötete und versuchte so zu tun, als wüßte ich nicht, wovon sie redeten. Aber das war sinnlos, denn ich konnte nicht gut lügen.
»Ich, äh, hab am Wochenende jemand kennengelernt.«
Meredia und Megan warfen einander triumphierende selbstgefällige Blicke zu, denen zu entnehmen war, daß sie das schon immer gewußt hatten.
»Das sehen wir selbst«, sagte Meredia spöttisch. »Und ihr trefft euch also heute abend...«
»Ja.« Jedenfalls hoffte ich das.
»Erzähl was von ihm.«
Ich zögerte einen Augenblick. Eigentlich hätte ich den beiden noch
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