Lucy Sullivan wird heiraten
grollen müssen, aber der Wunsch, über Gus zu reden, war übermächtig.
»Na schön«, lächelte ich versöhnlich. Ich zog mir einen Stuhl an Megans Schreibtisch, setzte mich bequem zurecht und begann zu erzählen. »Er heißt Gus und ist vierundzwan...«
Megan und Meredia lauschten aufmerksam, machten an den richtigen Stellen Ah und Oh und vergingen fast, als sie hörten, was für herrliche Dinge Gus mir gesagt hatte.
»... und er hat gesagt, er würde dir gern einen von diesen kleinen Fusselsaugern für das Sofa schenken?« fragte Meredia beeindruckt.
»Ja. Ist das nicht lieb?«
»Gott im Himmel«, knurrte Megan, den Blick zum Himmel gerichtet. »Jetzt komm mal zur Sache. Wie sieht sein Pimmel aus? Kurz und dick? Lang und schmächtig? Oder, wie ich es am liebsten hab, lang und dick?«
»Äh, hm... ganz nett«, sagte ich unbestimmt.
Bevor ich zugeben mußte, daß ich darüber noch gar nichts sagen konnte, kam Ivor der Schreckliche herein und ertappte uns dabei, wie wir untätig herumsaßen. Er brüllte ein bißchen, und jede schlich beschämt an ihren Platz.
»Miss Sullivan«, bellte er mich an, »Sie scheinen den Rock Ihres Kostüms zu Hause vergessen zu haben.«
Sein gebrochenes Herz hatte ihn ekelhaft und gehässig gemacht. Allerdings war er das auch schon gewesen, bevor Hetty mit ihrem Schwager auf und davon gegangen war.
»Es ist eigentlich ein Kleid«, sagte ich mit einer Dreistigkeit, die sich auf das glückliche Bewußtsein gründete, Gus zu treffen.
»Nicht die Art Kleid, die ich kenne«, brüllte er. »Nicht die Art Kleid, die ich in diesem Büro sehen möchte. Ziehen Sie morgen was weniger Unanständiges an.« Dann stürmte er in sein Büro und knallte die Tür hinter sich zu.
»Arschloch«, knurrte ich ihm nach.
33
G egen zwanzig vor fünf ging ich zur Toilette, um mein Make-up aufzulegen, damit ich bereit war, wenn Gus um Punkt fünf auftauchte.
Mir war fast schlecht vor Sorge, er könnte nicht kommen. Kaum hatte ich Meredia und Megan alles über ihn erzählt, als ich schon bedauerte, überhaupt den Mund aufgemacht zu haben. Mußte ich alte Plaudertasche denn immer alles preisgeben? Es tat mir nachträglich richtig leid, aber ich hatte mich nicht bremsen können.
Mit Gus zu prahlen, war mir ein Bedürfnis gewesen, aber jetzt war ich überzeugt, damit das Schicksal herausgefordert und Unglück über mich gebracht zu haben. Bestimmt würde er nicht kommen!
Ich werde ihn nie wiedersehen, dachte ich. Trotzdem wollte ich mich vorsichtshalber zurechtmachen.
Auf dem Weg zur Damentoilette sah ich unsere beiden Wachmänner am Eingang mit jemandem raufen. Es kam immer wieder vor, daß Penner und Wermutbrüder in unserem Bürogebäude Zuflucht von der kalten Straße suchten, und Harry und Winston hatten die unangenehme Aufgabe, sie hinauszuwerfen. Das Bedrückende daran war, daß ich die Penner oft beneidete. Hätte ich die Wahl gehabt, ob ich im Büro oder auf einem Stück Pappe in einem zugigen Hauseingang sitzen wollte, ich hätte mich wohl für den zugigen Hauseingang entschieden.
Die Wachmänner mußten dafür sorgen, daß ausschließlich angemeldete Besucher das Gebäude betraten oder solche, die einen Besucherausweis besaßen. Da aber die armen Männer nicht als Werksschützer oder dergleichen ausgebildet waren, konnten sie sich ihrer Haut nicht besonders gut wehren, und so kam es vor, daß sie beim Versuch, jemanden hinauszuwerfen, den kürzeren zogen, vor allem, wenn der Eindringling betrunken war.
Das war immer recht lustig, und wenn Caroline gut gelaunt war, rief sie in den Büros an, und wir stürmten hinaus, um die unterhaltsame Begebenheit aus nächster Nähe mit anzusehen.
Ich reckte den Hals, um die Szene besser beobachten zu können. Jemand wurde zum Ausgang geschleppt, wehrte sich aber nach Leibeskräften. Unwillkürlich mußte ich lächeln, als ich sah, wie er Harry trat. Ich stand grundsätzlich auf der Seite der Schwächeren.
Ich wandte mich ab, aber dann kam mir der Eindringling, den man da gerade an die frische Luft setzte, irgendwie bekannt vor. Mit einem Mal hörte ich, wie mein Name gerufen wurde. »Da ist sie ja. Lucy! Lucy, Lucy!« rief der Mann verzweifelt. »Lucy Sullivan, sag ihnen, wer ich bin.«
Langsam drehte ich mich wieder um. Ich hatte das grauenvolle Gefühl, daß mich ein Verhängnis ereilte.
Der sich windende, um sich schlagende und tretende Mann in Harrys und Winstons Armen war Gus.
Er wandte den Kopf nach mir um und rollte wild mit den Augen.
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