Lucy's Song
erklärte der Mann weiter. »Wenn Sie zu krank sind, um zu fliegen, dann können Sie nicht mit. So ist es nun einmal.«
»Aber sie muss mit«, sagte ich. »Das ist lebenswichtig.«
»Ich bin nicht krank«, sagte Mama. »Ich habe nur ein bisschen Zahnschmerzen. Aber es geht schon besser. Ich habe eine Tab- lette genommen.«
»Zahnschmerzen?«
»Ja, Zahnschmerzen.«
Zwei Leute in roten Hemden halfen Lucy an Bord. Sie hatten einen Spezialrollstuhl, mit dem sie sie an ihren Platz fahren konnten. Die Tante und sie wollten auf der einen Seite sitzen, Mama und ich auf der anderen.
»Du willst doch sicher am Fenster sitzen?«, fragte Mama.
Ich setzte mich auf meinen Platz und schaute aus dem Fenster. Sie waren dabei, das Gepäck im Flugzeug zu verstauen. Ein großer Tankwagen stand dicht daneben. Jemand warf schwarze Müllbeutel in einen Kleinlaster und fuhr davon.
»Jetzt kann uns nichts mehr aufhalten«, sagte Mama.
»Nein, nichts. Nichts auf der Welt.«
Mama schloss die Augen.
»Geht es dir besser?«, fragte ich.
»Ein wenig«, antwortete sie. Ich konnte sehen, dass sie ein bisschen weißen Schaum in den Mundwinkeln hatte. Sie schluckte ein paarmal. Ich schaute zur Tante hinüber. Sie war mit Lucys Sicherheitsgurt beschäftigt. Lucy wedelte mit beiden Armen. Sie fand es sicher lustig, in einem Flugzeug zu sitzen. Tante schaute in meine Richtung. Ich nickte leicht zu Mama hin, die immer noch die Augen geschlossen hatte. Tante antwortete, indem sie auch leicht nickte und einen Finger auf den Mund legte. Mama brauchte Ruhe.
Kurz darauf fuhr das Flugzeug rückwärts an. Die Stewardessen demonstrierten Rettungsweste und Sauerstoffmaske. Mama bekam von alldem nichts mit. Dann rollte das Flugzeug auf die Startbahn. Einen Moment lang standen wir ganz still. Dann hörten wir, wie die Motoren arbeiteten. Das Flugzeug fuhr immer schneller über die Rollbahn. So schnell wie ein Cabrio, dachte ich, wie ein Rennauto. Wie ein wirklich schnelles Rennauto.
Als wir schon eine Weile in der Luft waren, kamen sie mit einem Wagen angefahren und fragten, ob wir etwas zu trinken haben wollten. Die Tante wollte ein Glas Wein. Lucy bekam einen kleinen Karton Orangensaft, ich nahm eine Cola. Mama batum einen Kaffee und ein Glas Wasser. Aber sie trank nichts davon. Die Stewardess kam und fragte, ob bei uns alles in Ordnung sei. Lucy lachte sie an.
»Na, du hast aber gute Laune«, sagte sie.
»Wer hat keine gute Laune, wenn man nach Paris fliegt«, meinte Mama.
»Da wird es bestimmt schön«, sagte die Stewardess. »Es ist gutes Wetter angesagt.«
Mama und die Tante unterhielten sich ein wenig über den Gang hinweg. Ich las in meinem Heft. Einige Male schaute ich hinaus. Niemand dort unten wusste, dass wir hier oben waren. Nicht, dass wir das waren, Mama und ich, Tante und Lucy, die hier saßen. Das wussten nur wir, dachte ich. Wir und ein paar andere Leute noch.
Die Wege auf dem Flughafen von Paris waren unglaublich lang. Mama musste sich mehrere Male zwischendurch ausruhen. Zuerst gingen wir vom Flugzeug dorthin, wo das Gepäck ankam. Von dort mussten wir aus dem Flughafen raus. Überall waren schrecklich viele Menschen. Lucy war unruhig. Ich schob ihren Rollstuhl. Die Tante hatte Mama untergehakt. Eigentlich hatten wir geplant, den Zug ins Zentrum zu nehmen, aber wir entschieden uns dann doch für ein Taxi. Mama war müde und Lucy verängstigt. Wir schoben den Rollstuhl und den Wagen mit unserem Gepäck zum Taxistand. Zum Glück gab es viele freie Wagen. So mussten wir nicht warten, bis einer kam, der groß genug für uns war.
Ich hatte angenommen, dass der Flughafen auf dem Land liegt, ein Stück von der Stadt entfernt. Aber wir fuhren auf dem ganzen Weg bis zum Hotel durch die Stadt. Mehrere Male stecktenwir im Stau. Es dauerte mehr als eine Stunde, um zum Hotel zu kommen, und es war schrecklich teuer.Das Taxi hielt mitten auf der Straße vor dem Hotel, in dem wir wohnen sollten. Die Straße war so schmal, dass es gar keine andere Möglichkeit gab. Der Fahrer holte unsere Koffer und den Rollstuhl heraus. Die Tante half Lucy. Mama stellte sich in den Hoteleingang und zeigte auf ein winziges Straßencafé auf der anderen Straßenseite.
»Das sieht gemütlich aus«, sagte sie. »Genau so, wie man sich Paris vorstellt.«
An der Rezeption behaupteten sie, sie hätten keine Reservierung von uns bekommen. Zum Glück hatten wir die E-Mail mit der Bestätigung ausgedruckt. Der Mann hinter der Rezeption nahm sie mit ins Büro hinter
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