Lucy's Song
sprechen.«
»Nein.«
Als Mama wieder nach Hause kam, erzählte sie, dass sie vielleicht eines der Medikamente nicht vertragen hatte. Und dass sie sich deshalb erbrochen hatte.
»Nimmst du die Medikamente nicht mehr?«
»Doch, das muss ich.«
Onkel und Tante wollten, dass ich noch ein paar Tage bei ihnen wohnte, aber das lehnte ich ab. Wenn Mama zu Hause war, dann wollte ich auch dort sein.
»Hast du schon überlegt, was du für die Reise einpacken willst?«, fragte ich sie.
Sie lächelte mich an.
»Wir haben sicher schönes Wetter«, meinte sie. »Und bestimmt wird es ziemlich heiß. Ich werde Sommerkleidung einpacken.«
Ich holte für sie einen Karton vom Dachboden. Kleider, die sie im Herbst weggepackt hatte. Jetzt hatten wir Ende Juni, und sie hatte sie immer noch nicht wieder hervorgeholt.
»Die beiden Blusen nehme ich mit«, sagte sie. »Und den Rock. Ich brauche wohl nicht so viel Kleidung, wir sind ja nur ein paar Tage weg.«
»Und wer packt für Lucy?«
»Vielleicht könntest du das tun?«
Ich ging in Lucys Zimmer und suchte Kleidung für sie heraus, die ich in eine Tüte packte. Dann ging ich zu mir und guckte nach, was ich hatte. Das meiste war schmutzig. Ich suchte die Kleidung heraus, die ich mitnehmen wollte und machte mich auf in den Waschkeller.
»Kannst du eine Hose von mir mitwaschen?«, rief Mama.
An diesem Abend bestellten wir uns etwas beim Thailänder. Mama konnte nicht viel essen, es war etwas zu scharf für ihren Magen. Ich holte zwei Joghurts für sie. Einen schaffte sie. Den anderen aß ich.
Am Tag vor unserer Abreise fragte ich den Onkel, ob er jemanden gefunden hatte, der in Paris Cabrios vermietete. Das hatte er nicht, aber er würde weiter die Leute fragen, die schon mal dort gewesen waren, versicherte er mir. Und Leute, die sich mit Cabrios auskannten.
»Es ist wahrscheinlich leichter, etwas zu finden, wenn ihr erst mal dort seid«, fügte er hinzu.
»Wahrscheinlich.«
Die Krankenschwester kam mit einer Schachtel Tabletten, die Mama mitnehmen sollte. Sie lagen schon sortiert für jeden Tag in einem eigenen Fach. Morgen, Mittag und Abend. Während sie mit Mama sprach, machte sie die Tür zum Wohnzimmer zu. Ich saß so lange in der Küche.
Die Tante brachte einen roten Koffer, den wir ausleihen konnten. Zuerst legte ich die Tüte mit Lucys Kleidern hinein, dann meine eigenen Sachen. Es war immer noch reichlich Platz für das, was Mama mitnehmen wollte. Zuerst wollte ich auch Zahnbürsten und so einpacken, aber dann fiel mir ein, dass wir die ja noch am Abend und am nächsten Morgen bräuchten. Der Onkel war auch mitgekommen, er gab mir hundert Euro als Taschengeld für die Reise. Und ein Heft, das ich im Flugzeug lesen konnte. Er lobte mich, wie mutig ich doch sei, dass ich all das in die Wege geleitet hatte.
I
n dieser Nacht schlief ich nicht besonders gut. Ich glaube, Mama auch nicht. Ich konnte hören, wie sie mehrere Male mit der Nachtwache sprach. Als der Wecker klingelte, war ich schon wach.
Mama war unter der Dusche. Die Nachtwache zog Lucy an. Die machte viele Geräusche, sie begriff wohl, dass etwas Besonderes passieren sollte. Ihre Töne waren mal Freudentöne, mal Angsttöne. Aber meistens waren sie fröhlich. Als Mama zu ihr hineinging, waren nur noch Freudentöne zu hören. Und Lachen.
Wir wollten mit einem Taxi zum Flugplatz fahren. Mama hatte es am Tag zuvor schon bestellt. Es musste groß sein, wir brauchten Platz für vier Personen und Lucys Rollstuhl. Auf dem Weg holten wir die Tante ab. Sie hatte sich für die Reise eine neue Jacke gekauft.
»Wenn man nach Paris kommt, muss man sich ein bisschen hübsch machen«, sagte sie.
»Hast du deinen Pass dabei?«, fragte ich.
»Der liegt schon seit einer Woche in meiner Tasche.«
Sie klopfte auf die Tasche.
Auf dem Flughafen bekam Lucy Angst. Vor allem bei der Sicherheitskontrolle.Mama und Tante versuchten sie zu beruhigen. Trotzdem machte sie so laute Geräusche, dass die Leute guckten. Die Sicherheitskontrolleure fragten, ob sie ohne Rollstuhl durch die Schranke gehen könnte. Aber das verneinte Mama. Deshalb mussten sie den Stuhl untersuchen, während Lucy darin saß. Die Tante fragte, ob sie Lucy wirklich so quälen mussten. Doch darauf bekam sie keine Antwort.
Wir setzten uns in ein Café. Die Tante wollte einen Kaffee trinken, sie war zu Hause vor der Abreise zu nervös gewesen, um dort einen zu trinken, wie sie erzählte. Ich nahm eine Limonade. Mama sagte, ich solle vorsichtig sein und nicht
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