Ludlum Robert - Covert 01
jetzt aber in einem jämmerlichen Zustand war.
Vielleicht sollte er den berühmten Kinderarzt hier treffen? Weil er auf einem so andersartigen medizinischen Gebiet tätig war, kannte er seine Kontaktperson nicht persönlich. Er wandte sich zu Randi um. »Wo ist Dr. Mahuk? Ghassan sollte mich zu ihm führen. Er ist Kinderarzt.«
»Ich weiß«, antwortete Randi leise. »Ich war in dem Reifenladen, um mich zu vergewissern, dass Ghassan Kontakt zu einem Agenten mit Decknamen herstellt, offensichtlich zu Ihnen. Dr. Mahuk ist ein wichtiges Mitglied der irakischen Untergrundbewegung. Wir wollten, dass das Treffen in Ghassans Laden stattfindet, weil wir dachten, dass das sicher wäre.«
Die Frau mit dem Baby betrat ein Zimmer mit einem Schreibtisch und einer Untersuchungsliege, auf die sie das wimmernde Kind sanft legte. Dann griff sie nach einem Stethoskop. Jon folgte ihr, während Randi stehen blieb, um aufmerksam den schäbigen Flur zu beobachten. Dann kam auch sie in den Raum und schloss die Tür. Es gab noch eine zweite Tür und sie ging über den abgenutzten Linoleumfußboden schnell darauf zu. Als sie sie vorsichtig öffnete, sah Jon, dass sie in einen Krankensaal führte. Sie hörten an- und abschwellende Kinderstimmen und Schreie. Mit einem traurigen Gesichtsausdruck schloss sie die Tür wieder.
Nachdem sie die Uzi aus ihrer Sporttasche gezogen hatte, lehnte sie sich gegen die Tür.
Während Jon sie anstarrte, wurde ihr Gesichtsausdruck hart, wachsam und professionell. Sie bewachte nicht nur die Irakerin und das Kind, sondern auch ihn. So hatte er Randi nie erlebt. Bei ihrer ersten Begegnung hatte sie auf ihn den Eindruck einer unabhängigen Frau mit einem bezwingenden Selbstvertrauen gemacht. Damals, vor sieben Jahren, hatte er sie wunderschön und interessant gefunden. Er hatte sich bemüht, mit ihr über den Tod ihres Verlobten und seine Schuldgefühle zu reden, aber es war sinnlos gewesen.
Als er sie dann später in ihrer Wohnung in Washington besucht hatte, um sich erneut wegen Mikes Tod zu entschuldigen, hatte er Sophia dort kennen gelernt. Randis Zorn und Trauer standen immer zwischen ihnen, aber wegen seiner Liebe zu Sophia war das nicht so wichtig gewesen. Jetzt würde er Randi von dem schrecklichen Tod ihrer Schwester erzählen müssen - und das waren keine angenehmen Aussichten.
Lautlos seufzte er. Er sehnte sich nach Sophia und immer, wenn er Randi anblickte, wurde seine Sehnsucht noch stärker.
Als er der Irakerin half, das Baby aus der Decke auszuwickeln, lächelte sie ihn an. »Verzeihen Sie mir bitte, dass ich Sie getäuscht habe«, sagte sie in perfektem Englisch. »Nach dem Angriff war ich besorgt, dass man Sie gefangen nehmen würde. Es war besser, dass Sie nicht wussten, dass ich nach Ihnen gesucht habe. Ich bin Dr. Radah Mahuk. Danke, dass Sie geholfen haben, dieses Baby zu retten.« Sie strahlte, während sie sich über das Kleinkind beugte, um es zu untersuchen.
32
2l Uhr 02 Bagdad
Dr. Radah Mahuk seufzte. »Wir können nur so wenig für die Kinder tun. Eigentlich gilt das für alle Kranken und Verwundeten im Irak.«
Auf dem Untersuchungstisch, der mit Nägeln und Klebeband repariert worden war, hatte die Kinderärztin das Herz des Babys
- eines kleinen Mädchens - abgehorcht. Jetzt untersuchte sie Augen, Ohren und Kehle, anschließend maß sie die Temperatur. Jon vermutete, dass das Baby sechs Monate alt war, wenngleich sein Aussehen auf nicht mehr als vier Monate schließen ließ. Er betrachtete die dünne, durchscheinende und fiebrige Haut. Zuvor war ihm aufgefallen, dass die Augen des kleinen Mädchens elfenbeinfarben und ungeädert waren, was auf Vitaminmangel hindeutete. Es litt an Unterernährung.
Schließlich nickte Dr. Mahuk. Sie öffnete die Tür und rief nach einer Krankenschwester. Während sie ihr das Baby gab, streichelte sie dessen Wange und gab der Schwester auf Arabisch Anweisungen. »Baden Sie sie, damit sie sauber wird. Nehmen Sie kaltes Wasser, das hilft, das Fieber zu senken.« Ihr Gesichtsausdruck wirkte beunruhigt und die Müdigkeit hatte bläuliche Ringe unter ihren großen dunklen Augen hinterlassen.
»Was fehlt ihr?«, fragte Randi, die die Anweisungen der Ärztin verstanden hatte, auf Englisch.
»Unter anderem leidet sie an Diarrhöe.«
Jon nickte. »Angesichts der hiesigen Lebensumstände wird Diarrhöe weit verbreitet sein. Wenn Abwässer ins Grundwasser sickern, führt das zu Diarrhöe und weitaus schlimmeren Krankheiten.«
»Sie haben Recht. Nehmen Sie
Weitere Kostenlose Bücher