Ludlum Robert - Covert 01
feuerte in beide Richtungen.
»Halten Sie sich bereit«, fauchte plötzlich eine Stimme. »Bewegen Sie sich erst, wenn ich es sage!« Eine Frau sprach amerikanisches Englisch und ihre Stimme kam aus dem Hintereingang des Ladens mit den gebrauchten Autoreifen, wo die von Kugeln durchsiebte Tür halb offen stand.
Bevor Jon reagieren konnte, sah er einen langen schwarzen abaya und zwei bleiche Hände mit kurz geschnittenen Fingernägeln, die erfahren eine Uzi-Maschinenpistole umklammerten. Die gesichtslose Frau ging bemerkenswert geschickt mit der Waffe um. Sie hielt sie gegen den Körper und nahm dann die Gardisten zu beiden Seiten unter Beschuss.
Während die Frau sich nach links wandte, blieb Jon in der Hocke, damit die Kugeln über ihn hinwegflogen und er die Irakerin und ihr Baby schützen konnte. Dann wirbelte er nach rechts und schoss mit seiner Beretta auf zwei Männer, die über die Straße rannten. Als die schießende Frau sich nach rechts drehte, zielte er nach links. Weil sie so die ganze Straße mit Feuer bestrichen, waren nach wenigen Sekunden alle Angreifer zu Boden gegangen - tot, verwundet oder Deckung suchend. Schreie hallten durch die dunkle Gasse, aber man hörte keine Schritte mehr oder andere verräterische Geräusche.
»Kommen Sie rein!«, rief die Frau in dem abaya.
Jon war wie vom Schlag getroffen - irgendetwas an der Stimme der Frau kam ihm merkwürdig vertraut vor.
Aber das musste warten. Nachdem er die Irakerin mit dem Baby in den Lagerraum mit den Reifen gezogen hatte, rannten sie hinter der Frau her, die an dem zerfetzten Vorhang vorbei in den Laden eilte, wo die Wände mit Blutflecken und der Boden mit Blutlachen übersät waren. Vor zwei gegenüberliegenden Wänden lagen die Toten - Ghassan und vier Männer von der Republikanischen Garde. In der Luft hingen der metallische Geruch von Blut und der Gestank des Todes. Jons Kehle war wie zugeschnürt. Ghassan musste die vier Männer getötet haben, bevor er selbst an einer Schusswunde in der Brust gestorben war.
»Ghassan!«, klagte die Irakerin.
Während die Unbekannte schnell ihren pushi abnahm und den abaya auszog, redete sie in hektischem Arabisch auf die Frau mit dem Baby ein. Sie stellte ihr Fragen und entfernte dann ein Laufgeschirr, das sie zu dem gebückten Gang gezwungen hatte. Erleichtert streckte sie die Glieder und Jon sah, dass sie etwa einen Meter achtzig groß war. Als sie die Armbinde der Vereinten Nationen an ihrem Tweed-Jackett zurechtrückte, den grauen Rock glattstrich und den abaya und pushi unter den falschen Boden ihrer Sporttasche stopfte, kämpfte Jon gegen den Schock an. Ihre Verwandlung hatte weniger als eine Minute in Anspruch genommen, während der sie sich zugleich weiter mit der Frau unterhalten hatte.
Aber Jon war nicht deshalb erstarrt, sondern wegen der äußeren Erscheinung der Frau.
Sie hatte dasselbe auffällig blonde Haar wie Sophia, auch wenn sie es kurz und hinter die Ohren zurückgestrichen trug. An seine Verlobte erinnerten auch die Form ihrer Lippen, die gerade Nase, das entschlossene Kinn, die porzellanartig schimmernde Haut und der offene Blick ihrer schwarzen Augen, obwohl ihr Blick jetzt, als sie der Irakerin eine letzte Frage zu stellen schien, hart wirkte.
Es war Randi, Sophias Schwester.
Smith atmete tief durch. »Guter Gott, was tun Sie denn hier?«
»Ihren Arsch retten!«, schnappte Randi Russel, ohne ihn auch nur anzublicken.
Jon hörte kaum, was sie sagte - erneut hatte er das Gefühl, sein Herz würde entzweispringen. Er hatte nicht mehr daran gedacht, wie sehr sie ihrer Schwester ähnelte. Als er Randi jetzt ansah, bekam er eine Gänsehaut, aber zugleich konnte er den Blick nicht von ihr abwenden. Er war so durcheinander, dass er sich am Ladentisch fest halten musste. Nach einem Moment riss er sich entschlossen zusammen.
Nachdem die Frau mit dem Baby ihre letzte Frage beantwortet hatte, wandte sich Randi Smith zu. Ihr Gesichtsausdruck war kühl wie Marmor und hatte jetzt keinerlei Ähnlichkeit mehr mit dem Sophias. »Die Verstärkung der Republikanischen Garde wird jeden Augenblick hier sein. Wir verlassen den Laden durch den Vordereingang. Das ist zwar sehr gefährlich, aber immer noch sicherer, als wenn wir durch die Gasse flüchten würden. Diese Frau kennt sich hier besser aus als ich, deshalb wird sie uns führen. Verstecken Sie Ihre Beretta, sorgen Sie aber dafür, dass Sie sie griffbereit haben. Sie werden nach einem Westler und zwei irakischen Frauen suchen, von denen eine
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