Ludlum Robert - Covert 01
einen abaya trägt.«
Jon zwang sich, wieder ganz in die Gegenwart zurückzukehren. »Die Überlebenden werden Bericht erstatten.«
»Genau. Sie werden unser Äußeres beschreiben. Jetzt können wir nur hoffen, dass die neue Mannschaft verwirrt ist, weil ich mich umgezogen habe. Diese Kerle hassen Leute aus dem Westen, sind aber auch nicht auf einen internationalen Skandal scharf.«
Jon nickte. Er spürte, dass seine Kraft zurückkehrte.
Sie verließen den Laden und verschwanden in der dunklen Nacht. Das ist ein Auftrag, sagte er sich, und Randi ist nichts anderes als eine x-beliebige Agentin.
Als er sich mit geübtem Blick auf der Straße umsah, erblickte er sofort zwei Militärfahrzeuge. Das eine glich einem russischen BRDM-2, einem gepanzerten Wagen mit einer 25mm-Kanone, Maschinengewehren und panzerbrechenden Flugkörpern. Auf der anderen Seite lauerte ein weiteres gepanzertes Fahrzeug, ein tödliches Monstrum, das die verängstigten Passanten aus dem Weg springen ließ.
»Sie suchen uns«, knurrte Jon.
»Los!«, befahl Randi.
Nach ein paar Metern bog die Irakerin in einen Weg zwischen den Häusern ab, der so eng war, dass sich kaum eine Person hindurchzwängen konnte. Während Jon hinter ihr herrannte, blieben Spinnweben in seinem Gesicht hängen. Er war wachsam und nervlich angespannt. Mit der gezückten Beretta in der Hand wandte er sich immer wieder nach Randi um, um sich zu vergewissern, dass mit ihr noch alles in Ordnung war.
Als sie das Ende des Gangs und eine Hauptstraße erreichten, versteckte Randi die Uzi in ihrer Sporttasche und Smith schob die Beretta unter seiner Jacke in den Hosenbund. Während die Irakerin weiter voranging, schlenderten Jon und Randi hinter ihr her. Alles wirkte ganz normal - zwei westliche Mitarbeiter der Vereinten Nationen, die einen Abendspaziergang unternahmen. Dennoch fühlte sich Jon unbehaglich, weil die Vergangenheit in die Gegenwart eingebrochen und sein Schmerz zurückgekehrt war. Er kämpfte gegen die Trauer um Sophia an.
»Was zum Teufel haben Sie hier in Bagdad verloren, Jon?«, knurrte Randi.
Smith zog eine Grimasse. Das war ganz und gar die alte Randi, so feinfühlig und verständnisvoll wie eine Kobra. »Ich arbeite hier. Offensichtlich genau wie Sie.«
»Sie arbeiten hier?« Randi hob ihre blonden Augenbrauen. »Woran? Mir ist nichts von kranken amerikanischen Soldaten bekannt, die Sie umbringen könnten.«
»Immerhin scheint es hier CIA-Agenten zu geben. Jetzt weiß ich, warum Sie zu Hause oder bei Ihrer ‹internationalen Denkfabrik¤ nie zu erreichen sind.«
Randi starrte ihn mit funkelndem Blick an. »Sie haben immer noch nicht gesagt, aus welchem Grund Sie sich in Bagdad aufhalten. Weiß die Army Bescheid, oder befinden Sie sich wieder mal auf einem Ihrer persönlichen Kreuzzüge?«
Smith entschloss sich zu einer halben Lüge. »Es gibt einen neuen Killervirus, mit dem wir uns beim USAMRIID beschäftigen. Ich habe Berichte gelesen, nach denen im Irak solche Virusinfektionen aufgetreten sein sollen.«
»Und die Militärs haben Sie hierher geschickt, um etwas darüber herauszufinden?«
»Ich kann mir keinen besseren Auftraggeber vorstellen«, antwortete Smith leichthin. Offensichtlich wusste sie nicht, dass er sich nach offizieller Lesart ohne Erlaubnis von der Truppe entfernt hatte und im Zusammenhang mit General Kielburgers Tod vernommen werden sollte. Innerlich seufzte er. Dann hatte sie auch nichts von Sophias Tod gehört.
Aber jetzt war wohl nicht der richtige Zeitpunkt, ihr davon zu erzählen.
Erneut wurden die Straßen enger. Die Häuser hatten mit Fenstern versehene Vorsprünge, die von gelblichem Kerzenlicht erleuchtet waren. Die Läden in diesen dunklen Straßen glichen kleinen, in die dicken, alten Wände eingelassenen Zellen, die nicht hoch genug waren, dass jemand aufrecht darin stehen konnte, und gerade breit genug, dass Erwachsene darin ihre Arme ausstrecken konnten. In jedem Eingang hockte ein Verkäufer, der auf der Straße seine mageren Bestände verhökerte. Schließlich betrat die Irakerin den Hintereingang eines heruntergekommenen, aber modernen Gebäudes, das sich als ein kleines Krankenhaus herausstellte. Im Gang und in den Krankenzimmern zu beiden Seiten standen Feldbetten mit im Schlaf stöhnenden Kindern. Die Frau mit dem fiebernden Baby geleitete Jon und Randi an überfüllten Behandlungszimmern vorbei. Sie befanden sich in einem Kinderkrankenhaus, das nach Smith’ Eindrücken einst modern und gut ausgestattet gewesen sein musste,
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