Ludlum Robert - Covert 01
Aufmerksamkeit.«
Das Freizeichen summte in ihrem Ohr. Sie legte auf, beugte sich vor und fuhr fort, sich mit der Büroarbeit vertraut zu machen. Zugleich hörte sie ein- und ausgehende Telefonate ab und achtete auf das Licht auf ihrem Telefon, das sie über Gespräche von Dr. Sophia Russel informieren sollte. Einen Augenblick lang überlegte sie neugierig, warum diese Frau so wichtig war. Dann verdrängte sie diesen Gedanken. Manches wusste man besser nicht.
4
Mitternacht
Washington, D. C.
Washingtons herrlicher Rock-Creek-Park ist ein keilförmiges Stück Wildnis im Herzen der Stadt. Vom Potomac in der Nähe des Kennedy Center verbreitert sich der enge Streifen zu großen Wäldern im oberen Nordwesten der Stadt. In dem natürlichen Wald gibt es viele Wander-, Rad- und Reitwege, daneben Picknickplätze und historische Sehenswürdigkeiten. Pierce Mill, an der Kreuzung von Tildon Street und Beach Drive gelegen, war einer dieser historisch bedeutsamen Orte. Die alte Mühle stammte aus der Zeit vor dem Amerikanischen Bürgerkrieg, als eine Reihe solcher Getreidemühlen am Ufer des Bachs gestanden hatten. Jetzt war sie ein vom National Park Service geführtes Museum, ein vom Mondlicht erleuchtetes Relikt jener längst vergangenen Zeit.
Nordwestlich der Mühle, im dichten Unterholz in der Dunkelheit des Waldes, wartete Bill Griffin, der einen hochgradig wachsamen Dobermann an der Leine hielt. Obwohl es kalt war, schwitzte Griffin. Aufmerksam beobachtete er die Mühle und die Picknickplätze. Als der schlanke Hund Witterung aufnahm, drehten sich seine aufgerichteten Ohren.
Von rechts, aus der Richtung der Mühle, näherte sich jemand. Schon lange vor Griffin hatte der Hund die schwachen Geräusche knisternden Herbstlaubs gehört. Als Griffin die Schritte vernahm, befreite er den Hund von der Leine. Der Dobermann blieb gehorsam sitzen, aber seine angespannten Muskeln zitterten.
Schweigend gab Griffin dem Hund ein Handzeichen. Wie ein schwarzes Phantom schoss der Dobermann in die Nacht und umrundete in einem großen Kreis den Picknickplatz. In dem unheildrohenden Dunkel zwischen den Bäumen war das Tier nicht zu sehen.
Griffin sehnte sich verzweifelt nach einer Zigarette. Jeder einzelne seiner Nerven war bis zum Zerreißen gespannt. Hinter ihm lief irgendein wildes Tier raschelnd durch das Unterholz. In einem Baum schrie eine Nachteule. Doch Griffin nahm weder die Geräusche noch die Anspannung seiner Nerven wahr. Er war ein bestens ausgebildeter Vollprofi und deshalb blieb er wachsam und rührte sich nicht. Weil er sich in der kalten Luft nicht durch weißen Hauch vor dem Mund verraten wollte, atmete er behutsam. Obwohl er sein Temperament unter Kontrolle hielt, war er zornig und beunruhigt.
Als er Lieutenant Colonel Jonathan Smith im Mondlicht über die freie Fläche auf sich zukommen sah, rührte sich Griffin immer noch nicht. Auf der anderen Seite des Picknickplatzes legte sich der Dobermann nieder, wie Griffin wusste, obwohl das Tier nicht zu sehen war.
Jon Smith, der auf dem Pfad herankam, zögerte. »Bill?«, flüsterte er heiser.
In der Dunkelheit zwischen den Bäumen konzentrierte sich Bill Griffin auf seine Wahrnehmung. Er lauschte auf den Verkehr der nahen Straße und die Geräusche der nächtlichen Stadt. Ihm fiel nichts Ungewöhnliches auf. In diesem Teil des riesigen Naturparks hielt sich niemand auf. Er wartete auf eine Reaktion des Hundes, aber der Dobermann blieb, wo er war, und gab keinen Laut von sich.
Griffin seufzte und ging zum Rand des Picknickplatzes, wo das Mondlicht und die Dunkelheit zusammentrafen. »Hierher, Smithy«, sagte er mit tiefer und eindringlicher Stimme.
Nervös wandte sich Jon Smith um. Er sah nur eine vage Silhouette im Mondlicht. Als er darauf zuging, fühlte er sich ungeschützt und verletzbar. »Bist du das, Bill?«, knurrte er.
»Der unerwünschte Freund«, erwiderte Griffin leichthin und zog sich wieder in die Finsternis zurück.
Smith trat zu ihm und blinzelte, damit sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnten. Schließlich sah er, dass ihn sein alter Freund anlächelte. Obwohl er zehn Pfund abgenommen zu haben schien, hatte er noch immer dasselbe runde Gesicht und dieselben sanften Gesichtszüge. Aber seine Wangen waren weniger dick und die Schultern wirkten breiter, weil sein Bauch und seine Taille schlanker waren. Sein braunes, halblang geschnittenes Haar hing ungepflegt herab. Er war fünf Zentimeter kleiner als der über einen Meter achtzig große Smith und
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