Ludlum Robert - Covert 01
und wirbelte herum. »Gibt es Probleme mit der Verbindung, Mrs. Pendragon?«
»Verlieren Sie die Nerven, Mercer?«
Vor ihm stand Victor Tremont in seinem teuren Anzug und mit den auf Hochglanz polierten Glacéleder-Schuhen. Sein dichtes, stahlgraues Haar glänzte in dem künstlichen Licht und sein unverwechselbares Gesicht mit den adlerhaften Zügen und dem leicht verächtlichen Ausdruck starrte auf Haldane herab. Er strahlte jene Selbstgewissheit aus, dank derer er Vorstandsmitglieder mit der gleichen Leichtigkeit dirigierte wie ein großer Maestro ein berühmtes Orchester.
Haldanes alte Augen blickten seinen früheren Schützling an. »Ich habe mein Gewissen wiedergefunden, Victor«, sagte er ruhig. »Es ist noch nicht zu spät für Sie, dasselbe zu tun. Lassen Sie mich mit dem Generalstabsarzt telefonieren.«
Tremont lachte. »Ich glaube, es war Shakespeare, der geschrieben hat, dass das Gewissen ein Luxus sei, der aus uns allen Feiglinge mache. Aber er hat sich geirrt. Das Gewissen macht uns zu Opfern, Mercer, zu Verlierern. Ich habe nicht die Absicht, eins von beidem zu sein.« Stirnrunzelnd schwieg er einen Augenblick lang. »Ein Mann ist entweder der Wolf oder die Beute - und ich will nicht gefressen werden.«
Haldane hob die Hände. »Um Himmels willen, Victor, Blanchard hilft den Menschen. Unser Ziel ist es, Leiden zu verringern. Unser Prinzip lautet: ‹Tue niemandem ein Leid.¤ Unser Geschäft ist die Heilung von Menschen.«
»Zum Teufel mit dem Geschwätz«, erwiderte Tremont kalt. »Unser Geschäft ist es, Geld zu verdienen. Profit machen, das allein zählt.«
Haldane konnte sich nicht länger beherrschen. »Sie sind ein egoistischer Fanatiker, Victor!«, brach es aus ihm heraus. »Ein Mörder! Ich werde dem Generalstabsarzt alles erzählen… Ich werde…«
»Sie werden gar nichts«, schnappte Tremont. »Dieses Telefongespräch wird nie zustande kommen. Mrs. Pendragon erkennt einen Gewinner, wenn er vor ihr steht.« Er zog eine dunkel glänzende Glock-9-mm-Pistole unter seinem Jackett hervor. »Nadal!«
Mercer Haldanes altes Herz pochte wie wild, und als der große, pockennarbige Araber sein Büro betrat, brach ihm der Schweiß aus. Auch er hatte eine Pistole in der Hand. Haldane war vor Angst wie gelähmt und starrte abwechselnd Tremont und al-Hassan an.
41
11 Uhr 02
Lake Magua, New York
Der an Weihnachten erinnernde Duft von Tannennadeln erfüllte das große Wohnzimmer von Victor Tremonts Sommerhaus. Durch die Fenster sah man den kristallblauen, von dichten grünen Wäldern gesäumten See. Vor dem riesigen Kamin, in dem hohe Flammen loderten, saß Bill Griffin in einem ledernen Klubsessel. Sein stämmiger Körper wirkte entspannt und sein braunes Haar hing wie üblich schlaff und ungebändigt über den Kragen seines Jacketts herab. Griffin schlug die Beine übereinander und zündete sich eine Zigarette an.
Er lächelte Victor Tremont und Nadal al-Hassan an. »Das Problem war, dass wir alle an anderen Zielen gearbeitet haben. Seit Sie mir den Befehl gegeben haben, Jon Smith zu eliminieren, habe ich gleichzeitig drei Orte beobachtet: sein Haus in Thurmont, die Wohnung von Sophia Russel in Frederick und Fort Detrick. Kein Wunder, dass es schwierig war, Kontakt zu mir aufzunehmen.«
All das war gelogen. Er hatte sich in einer Wohnung in einem aufzuglosen Haus in Greenwich Village versteckt, die einer Freundin aus alten New Yorker Zeiten gehörte. Aber als er den Zeitungsartikel gelesen hatte, in dem berichtet wurde, dass der Präsident Victor Tremont und Blanchard Pharmaceuticals ehren wolle und Bestellungen für das Serum eingingen, war ihm klar geworden, dass er zurückkehren musste, um dafür zu sorgen, dass er seinen Anteil bekam.
Und dann war da noch die Sache mit Smith.
»Ich dachte, ich kann Smith aus dem Verkehr ziehen, nachdem er Fort Detrick verlassen hat, aber es gab keine günstige Gelegenheit«, erklärte Griffin. »Nach dieser Nacht hat er sich an keinem der anderen Orte mehr blicken lassen und sich einfach in Luft aufgelöst. Vielleicht hat er aufgegeben oder
Urlaub genommen. Oder er trauert irgendwo um seine Verlobte.« Griffin hoffte, dass das stimmte, bezweifelte es aber, weil er Jon kannte.
Victor Tremont blickte durch das Panoramafenster auf die Bäume, die sich im See widerspiegelten. »Nein«, sagte er nachdenklich. »Er hat keinen Trauerurlaub genommen.«
Nadal al-Hassan setzte sich auf die Armlehne des hohen Sofas, das dem Kamin gegenüberstand. »Wie auch immer, jetzt
Weitere Kostenlose Bücher