Ludlum Robert - Covert 03
das eine gute Nachricht für ihn gewesen wäre.
Andererseits war auch denkbar, überlegte Smith, dass Mauretanien das nächste Ziel des Halbmondschildes war – wer oder was auch immer sich hinter dieser Bezeichnung verbergen mochte –, oder vielleicht der Schwarzen Flamme.
Er duckte sich wieder, kroch auf das zweite Fenster zu, das ebenfalls vergittert war, richtete sich auf und sah hinein.
Diesmal handelte es sich um ein kleines, leeres Zimmer, ein Schlafzimmer mit einer schlichten Eisenpritsche. Daneben sah er ein Tischchen und einen Stuhl, und auf der Pritsche stand ein Holztablett mit Essen, das nicht angerührt worden war. Smith hörte ein Geräusch aus dem Zimmer, aber es kam von der Seite, von einer Stelle, die er nicht sehen konnte. Es klang so, als ob ein Stuhl über den Fußboden gescharrt hätte. Er trat zur Seite und lauschte auf die Schritte, die er durch das Fenster hörte.
Jemand ging langsam, mit schweren Schritten auf die Pritsche zu. Erregung wallte in ihm auf. Es war Thérèse Chambord. Er hatte befürchtet, dass sie ebenfalls tot sei wie ihr Vater. Der Atem stockte ihm, als er sie beobachtete.
Sie trug noch das gleiche weiße Abend-Outfit wie beim letzten Mal, als er sie gesehen hatte, aber jetzt war es beschmutzt, und ein Ärmel war zerrissen. Ihr hübsches Gesicht war ebenfalls schmutzig und verschrammt und ihr langes, schwarzes Haar zerzaust. Ihre Entführung lag wenigstens vierundzwanzig Stunden zurück, und ihrem Aussehen nach zu schließen, hatte sie den Kidnappern mehr als einmal Widerstand geleistet. Ihr Gesicht wirkte älter, als ob ihr der letzte Tag ihre Jugend gestohlen hatte.
Jetzt ließ sie sich schwer auf die eiserne Pritsche sinken, schob mit einer angewiderten Geste das Essenstablett weg, beugte sich vor und stützte das Gesicht auf die Hände, während ihre Ellbogen auf den Knien ruhten – ein Bild der Verzweiflung.
Smith sah sich um, um sicherzustellen, dass keiner der Posten ihn überraschte. Das einzige Geräusch war das leise Seufzen des Windes in dem Wäldchen, aus dem er gerade gekommen war. Über ihm zogen Wolken über die Mondscheibe und verdunkelten den Hof. Das war gut. Er setzte dazu an, an ihr Fenster zu klopfen … Und hielt inne. Die Tür zu ihrem Zimmer öffnete sich, und der untersetzte Mann, der vorher vor Elizondo auf und ab gegangen war, kam herein. Sein Savile-Row-Anzug war elegant, sein Gesicht gefasst und sein Auftreten selbstsicher. Er war ein Mann, der andere kommandierte, jemand, dessen Meinung wichtig war. Ein Lächeln spielte über sein Gesicht, aber es war ein kaltes Lächeln, das seine Augen nicht mit einschloss. Smith studierte ihn. Dieser namenlose Mann war für die Gruppe in dem Haus wichtig.
Nachdem der Mann das Zimmer betreten hatte, tauchte ein weiterer hinter ihm auf. Smith starrte ihn an. Ein älterer Mann, vielleicht einen Meter fünfundachtzig groß. Er war gebeugt, als ob er sein ganzes Leben damit verbracht hätte, zu viel kleineren Leuten zu sprechen oder vielleicht auch über einen Schreibtisch gebeugt zu arbeiten … oder einen Labortisch. Der Mann war Anfang sechzig, sein schütter werdendes schwarzes Haar war weitgehend ergraut, und sein langes, schmales Gesicht zeigte tief eingeprägte Altersfalten. Smith kannte das Gesicht nur von den Fotografien, die Fred Klein ihm beschafft hatte, aber diese Züge hatten sich im Zusammenhang mit dem Bombenattentat auf das Pasteur-Institut für immer in sein Gedächtnis eingeprägt.
Thérèse Chambord starrte den Mann fassungslos an, als er das Zimmer betrat. Ihre rechte Hand tastete blindlings hinter ihr herum, bis sie schließlich das Fußende der eisernen Bettstelle gefunden hatte. Sie schien aufs Äußerste verblüfft. Der gebückt gehende Mann war das allerdings nicht. Freude leuchtete aus seinem Gesicht, als er mit zwei langen Schritten auf Thérèse zueilte. Der große französische Gelehrte Dr. Émile Chambord zog seine Tochter vom Bett hoch und schloss sie in die Arme.
TEIL II
14
An Bord des Flugzeugträgers Charles de Gaulle im Mittelmeer
Zweihundert Meilen südsüdwestlich von Toulon zog der atomgetriebene Flugzeugträger Charles de Gaulle lautlos seine Bahn durch die Nacht, ein gewaltiges Seeungeheuer, glatt, elegant und tödlich. Nur die Positionsbeleuchtung war eingeschaltet. Die zwei Kernkraftreaktoren vom Typ K15 trieben den Flugzeugträger mit der gleichmäßigen Marschgeschwindigkeit von siebenundzwanzig Knoten durch das Mittelmeer und hinterließen eine irisierende, wie
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