Ludlum Robert - Covert 03
erniedrigend. Sollen wir denn immer Stiefkinder einer Nation bleiben, die uns ihre ganze Existenz verdankt?«
Der einzige Teilnehmer der Konferenz, der sich bis jetzt nicht an der Diskussion beteiligt hatte und es allem Anschein nach vorzog, zuzuhören und zuzusehen, war Bundeswehrgeneral Otto Bittrich. Sein kantiges Gesicht zeigte, wie üblich, einen nachdenklichen Ausdruck. Sein blondes Haar war inzwischen fast weiß geworden, aber abgesehen davon, konnte man ihm seine zweiundfünfzig Jahre kaum ansehen. Er räusperte sich, und sein preußisches Soldatengesicht wirkte ernst: »Der Kosovo-Einsatz fand in einem Gebiet statt, das Europa im Laufe der Jahrhunderte Millionen von Toten gekostet hat«, sagte er und ließ den Blick in die Runde schweifen, um sicherzugehen, dass er die ungeteilte Aufmerksamkeit aller hatte, »eine unruhige Region, die für uns alle äußerst gefährlich ist. Schließlich war der Balkan schon immer unser Pulverfass. Jeder weiß das. Und doch musste Washington fünfundachtzig Prozent des Geräts und der Systeme stellen, als es darum ging, das Notwendige zu tun, um die Kampfhandlungen im Kosovo unter Kontrolle zu bringen und Europa wieder zu stabilisieren.« Seine Ungehaltenheit ließ seine Stimme lauter werden. »Ja, unsere Mitgliedsstaaten verfügen über zwei Millionen Soldaten, voll einsatzfähige Luftstreitkräfte und ausgezeichnete Marineeinheiten, alle gut ausgestattet und kampfbereit … aber was nützen sie? Sie bleiben zu Hause und drehen Däumchen. Nutzlos! Wir könnten in die Vergangenheit zurückkehren und den Zweiten Weltkrieg noch einmal führen, ja, das könnten wir. Wir könnten jetzt sogar ganze Städte mit unseren Bomben zerstören. Aber ohne die Amerikaner können wir, wie General La Porte ganz richtig erklärt hat, keine Truppen und kein Kriegsmaterial in einem modernen Krieg einsetzen, geschweige denn einen solchen Krieg führen. Dazu fehlen uns die operationelle Planungsstruktur und die Logistik. Und die Kommandostrukturen ebenfalls. Technisch, elektronisch, logistisch und strategisch stehen wir sozusagen noch in der Steinzeit. Mir ist das wirklich in hohem Grade unangenehm und peinlich. Geht es Ihnen nicht ebenso?«
Aber der Brite, Sir Arnold, gab nicht so leicht nach und fragte locker: »Könnten wir denn in einer vereinigten europäischen Armee wirklich vorankommen? Könnten wir tatsächlich gemeinsam Operationen planen und eine multinationale Kommunikation einrichten? Seien wir doch ehrlich zueinander, meine Freunde, es sind nicht nur die Amerikaner, die andere Interessen als wir haben. Wir sind uns selbst uneinig, insbesondere in politischer Hinsicht. Und aus der politischen Ebene müsste doch die Zustimmung zu einer derartigen unabhängigen Militärstreitkraft kommen.«
General Inzaghi richtete sich auf, man sah ihm die Verärgerung an. »Wenn es darum geht, voranzukommen, Sir Arnold«, erwiderte er, »mag es ja sein, dass unsere Politiker Schwierigkeiten haben, aber ich kann Ihnen versichern, dass das bei unseren Soldaten nicht so ist. Die Schnelle Eingreiftruppe ist bereits außerhalb von Mostar in Bosnien stationiert – es handelt sich um die Salamanderdivision, siebentausend Mann stark, bestehend aus italienischen, französischen, deutschen und spanischen Kampfgruppen. General La Portes Landsmann – General Robert Meille – führt das Kommando.«
»Und das Eurocorps«, gab der Spanier Gonzales zu bedenken. »Das sollten Sie ebenfalls nicht vergessen. Fünfzigtausend spanische, deutsche, belgische und französische Soldaten.«
»Im Augenblick unter dem Kommando der Bundeswehr«, fügte General Bittrich sichtlich befriedigt hinzu.
»Ja«, nickte Inzaghi. »Die multinationalen italienischen, spanischen, französischen und portugiesischen Truppen unter gemeinsamem Kommando; sie sind zum Schutz unserer Mittelmeerküste eingesetzt.«
Welche Nation in all diesen multieuropäischen Militärorganisationen fehlte, wurde deutlich auffällig, als er die einzelnen Truppenteile aufzählte. Schweigen senkte sich über den Saal, und keiner erwähnte, dass England, wenn es an gemeinsamen Operationen teilnahm, dies ausnahmslos nur mit den Amerikanern tat; dann stellte Großbritannien jeweils das zweitgrößte Kontingent und nahm deshalb zumindest die zweite Position in der Kommandostruktur ein.
Sir Arnold lächelte nur. Er war Politiker und Militär zugleich und ließ sich deshalb jetzt nicht aus der Ruhe bringen.
»Und wie ist es, stellen Sie sich diese paneuropäische Armee
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