Lübeck
ebenfalls im Verbund mit Fey â den Schleswiger Dom âverschönertâ hatte, imitierte den gotischen Stil und kreierte 21 Figuren. Und wirklich: Die Fachwelt reagierte euphorisch. âDer Schöpfer dieser Gemälde ist einer der GroÃen im Reiche der Kunstâ, lautete das Urteil der Koryphäen. Die scheinbar restaurierten Heiligen wurden als âgröÃte Funde Europasâ gepriesen, Lübeck galt als âKulturzentrum des Mittelaltersâ. Das âunerreichte mittelalterliche Meisterwerk von gewaltiger Zeugniskraftâ war sogar Thema einer Doktorarbeit. Vielleicht würden Sie noch heute von der âLeuchtkraft der Farbenâ und der âselbstbewuÃten bürgerlichen und künstlerischen Gesinnungâ der Malereien in diesem Reiseführer lesen â wenn, tja, wenn es nicht den Künstlerneid und die Künstlereitelkeit geben würde. Als Fey während der 700-Jahr-Feier der Marienkirche von Bundeskanzler Adenauer gelobt und Malskat nur mit einigen Bier- und Schnapsmarken abgespeist wurde, wandte sich der Meisterfälscher an die Presse. Obwohl der SPIEGEL seinen âAmoklauf der Wahrheitâ (Malskat) abdruckte, wurde den Ausführungen des schmächtigen Königsbergers nicht geglaubt; erst die Selbstanzeige von 1952 wies ihn als Schöpfer der Chorgestalten aus. Am 25. Januar 1955 wurde Fey zu einer 20-monatigen, Malskat zu einer 18-monatigen Gefängnisstrafe verknackt. Unklar blieb, inwieweit die Kirchenleitung von allem gewusst und stillschweigend mitgemacht hatte. Kurzerhand beschloss der Bischof, die Gemälde abzuwaschen, zumal sie, laut den Richtern, âmit einem sittlichen Makel behaftet und völlig wertlosâ seien. Heute trauert man den verschwundenen, genialen Imitaten bei jeder Führung nach. âDer Fall Lothar Malskatâ wurde 1966 vom ZDF verfilmt, Günter Grass baute ihn in seinen Roman âDie Rättinâ (1986) ein.
Wer jetzt nach oben blickt, sieht die von gotischer Ornamentik verzierten Gewölbe und Säulenbögen, die an das himmlische Jerusalem erinnern sollen, besonders gut. Diese Re-Gotisierung ist dem Bombenangriff zu âverdankenâ, da die Kirche vorher zu einem etwas schwülstig-barocken Gotteshaus âverkommenâ war. Vor der Reformation sollte in der Marienkirche schon allein wegen ihrer GröÃe ein Gefühl von Gottesnähe entstehen. Damals hatte St. Marien fast kein Gestühl, an über 40 Altären und Privatkapellen fanden zeitgleich (Toten-)Messen und Andachten, Hochzeiten und Taufen statt. Nach dem Krieg wurden alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das Prachtexemplar der Lübecker Kirchen wieder hochzuziehen. Nach zwölf Jahren und 7 Mio. DM erblühte die âBürgerkathedraleâ, die einst in Konkurrenz zu den Domherren so überaus hoch gebaut worden war, am 4. Advent 1959 in neuem Glanz.
Tipp : Wer die weltbekannten Gewölbe von oben sehen, das Glockenspiel im Süderturm sowie das GroÃe Geläut im Norderturm erleben und einiges zur Baugeschichte der Basilika erfahren will, kann eine zweieinhalbstündige Gewölbeführung mitmachen. Man passiert einen Teil des Daches und steigt zum Abschluss auf den 60 m hohen Dachreiter der Kirche â geniale Aussicht! Die Motivation, einige Hundert enge Stufen zu ersteigen, und eine gewisse Schwindelfreiheit sollten vorhanden sein ⦠Erw. 5 â¬, Schüler/Studenten 3 â¬. Die Teilnahme ist auf 25 Pers. begrenzt, Karten im Kirchenshop (Vorverkauf). Führungen AprilâDez. Sa 15.15 Uhr und jeden letzten Samstag im Monat um 20.30 Uhr. AuÃerdem JuniâSept. jeden Mittwoch um 15.15 Uhr. Führungen auÃerhalb dieser Zeiten (60 â¬) für bis zu 12 Pers. auf Anfrage unter Tel. 77391.
Noch ein kurzer Blick vor die Kirche: Rechts vom Eingang befindet sich ein zweifelnd dreinblickendes Teufelchen aus Bronze (Rolf Goerler, 1999), links vom Eingang am Ende eines Eisenzauns in einigen Metern Höhe ein zusammengekauertes Männlein Steinalt, ein zu Kalkstein gewordener Methusalem. Rechts vom Hauptaltar nach dem Eingangsfoyer werden die dazugehörigen Sagen (plus die Sage von der Maus) auf einem Touchscreen mit Hörknochen für 1 ⬠kindgerecht erzählt.
Fazit: Man war nicht in Lübeck, wenn man nicht wenigstens eine halbe Stunde in der Marienkirche gewesen ist!
Marienkirchhof , www.kirche-in-luebeck.de .
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