Lübeck
angesprochen fühlten, malte Notke die Silhouette der Stadt und die Umgebung gleich mit. Ursprünglich geht der weltbekannte Figurenfries auf szenische Aufführungen des âdanse macabreâ in Paris zurück â eine dramatische Dichtung, die auf die Pestwellen reagierte, die Europa heimsuchten. Das spätmittelalterliche Lübecker Meisterwerk wurde 1701 von einem Kirchenmaler erneuert, die niederdeutschen Verse ersetzte man durch barocke Alexandriner. Heute ist nur noch ein blasses Schwarz-WeiÃ-Panoramafoto erhalten. Dafür erinnern die Totentanzfenster von Alfred Mahlau seit 1955/56 an die wirkungsmächtige, farbenfrohe Malerei. Auch wenn der kriegszerstörte Totentanz um ein Vielfaches bedeutender war: Die Skelette von Mahlau sind mit höchst irdischen Tributen ausgestattet (u. a. mit Gitarre und Piratenmütze) â und erfüllen den einstigen Auftrag des Kunstwerkes in der Gegenwart: âBedenke, dass du sterblich bist!â
Die Astronomische Uhr von 1566, die sich direkt daneben befindet, erlitt ein ähnliches Schicksal wie der Totentanz: Auch sie verbrannte 1942. Paul Behrens entwickelte 1960â67 eine vereinfachte Nachbildung. Um 12 Uhr mittags sieht man einen hölzernen Christus die Vertreter aller Rassen und Erdteile segnen. Besonders schön sind der âvorbeifahrendeâ Indianer und der (Lübecker) Fischer am Ende! Danach kann man während der Hauptsaison und um Weihnachten dem etwas moralischen âWort zum Alltagâ lauschen.
Unter der Totentanzorgel befindet sich eine kleine Gebetskapelle, in der ein Meisterwerk des Nazareners Friedrich Overbeck (1789â1869) aufgehängt ist: âDie Grablegung Christiâ von 1845. Das Bild kann betrachtet werden, doch bitte verhalten Sie sich in der kleinen Alenkapelle, in die immer wieder Gläubige zum Beten kommen, sehr leise!
Was hat es mit der Astronomischen Uhr â¦
⦠und dem kleinen Teufelchen auf sich?
Betritt man den Chorraum, begibt man sich auf die Suche nach der Maus. Um 1200 hieà es, dass die Freiheit der Stadt so lange gewährleistet wäre, wie ein Rosenstock, der sich bis zum Kirchendach hinaufwand, blühen würde. Eines Morgens waren die Blätter welk, die Dänen eroberten Lübeck. Des Rätsels Lösung war eine Maus, die ihr Nest an den Wurzeln gebaut hatte. Wer den prominenten Nager selbst finden will, sollte den nächsten Satz überspringen!
Zwischen fein gearbeiteten Sandsteinreliefs im Chorumgang sieht man das niedliche Tier, das von den Berührungen der Besucher schon ganz schwarz ist. Am Ende trifft man auf die Bürgermeisterkapelle mit dem originalen Chorgestühl, an dem die Flammen vorüberzischten. Hier versammelten sich Rat und Senat vor ihren Sitzungen â ob es etwas gebracht hat? Wer zu spät kam, musste jedenfalls Strafe zahlen. Direkt darüber liegt die Trese, eine Kammer, in der Schätze und Urkunden aufbewahrt wurden. Unter anderem befand sich in diesem âSafeâ die dänische Krone als Pfand, da der König einst Schulden bei Lübeck hatte. Die Schlüssel für den Raum waren an sieben Personen verteilt. Immer noch dient die Trese den alten Schriften, heute wegen des günstigen Klimas.
Im Altarraum, den man nach der Chorumrundung wieder erreicht, stehen ein kunstvolles, 9,50 m hohes und 3 t schweres Sakramentshaus von 1479 und ein Taufbecken (1337) von Johann Apengeter. Das Tauffass aus Bronze hat ein Fassungsvermögen von 408 l, genau wie ein Lübecker Bierfass. Allerdings darf man den Altar nur während einer Führung betreten!
Die âSchein-Heiligenâ von St. Marien â Lothar Malskats geniale Kunstfälscherei
Der Brand in der Bombennacht 1942 war verheerend. Flammen von 1.200 Grad Celsius fegten durch St. Marien. Dieser Feuersturm sorgte dafür, dass die Kalktünche von den Wänden platzte â und Farbreste alter Bemalungen freigelegt wurden. 1948â54 wurden sie aufwendig restauriert. Einen Heiligenzyklus im Mittelschiff, der auf die erste Hälfte des 14. Jh. zurückgeht, ehrte man in einer Briefmarkenedition. Da man im Chorraum keine Malereien fand, entschlossen sich der Berliner RestauratorDietrich Fey und sein Gehilfe, der relativ mittellose Künstler Lothar Malskat, zu einem beinahe genialen Coup. Er sollte als gröÃter Fälscherskandal der Nachkriegszeit in die Annalen eingehen. Malskat, der bereits 1937 â
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