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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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Abigails Mut entzückt zu sein schien. Lula sandte ihm eine telepathische Botschaft. Lass dich nicht zum Narren halten. Du kannst darauf wetten, dass eine Vegetarierin kleine Jungs wie dich zum Frühstück verspeist.
    »Ich nehme den Rahmspinat«, sagte Abigail.
    »Das ist alles?« Don warf Mister Stanley einen forschenden Blick zu, erwartete einen Richterspruch, ob sich Abigail nur mit ihm anlegen wollte oder ob sie eine ausgewachsene Essstörung entwickelt hatte. Mister Stanley zuckte die Schultern. Was wusste er denn von Mädchen?
    »Vorspeisen?«, fragte der Ober. »Beilagen?«
    Besiegt von seiner Tochter, kapitulierte Don vor dem Ober. »Wir begeben uns in Ihre Hände«, sagte er. Nein!, wollte Lula rufen.
    »Wir bringen Ihnen ein paar Vorspeisen und Beilagen«, sagte der Ober, ohne auf Lulas wütendes Starren zu achten.
    Don fragte: »Was ist mit der Flasche, die wir bestellt haben? Lieber heute als morgen.«
    Mister Stanley legte die Hand über sein Glas. »Mir nichts mehr. Ich muss die Familie nach New Jersey zurückfahren.«
    Die Familie? Lula gehörte zur Familie? Lieber, bester Mister Stanley!
    »Was ist mit Ihnen, Lula?«, fragte Don. »Ich soll hier doch wohl nicht allein trinken?«
    Lula lupfte die Augenbraue und nickte. Aber immer doch.
    Dons Lächeln übermittelte eine angesäuselte Vertraulichkeit, als hätten Lula und er sich auf ein gemeinsames Vorhaben geeinigt. Nach Lulas Erfahrung stand am Ende dieses bestimmten Vorhabens – Trinken – üblicherweise Sex, aber sie konnte nicht erkennen, ob es das war, was Don im Sinn hatte. Sie hatte gewusst, dass Franco es im Sinn hatte, als er sich an jenem Abend, nachdem das La Changita schloss, hinter ihren Stuhl stellte und ihr seine Manneszier in den Rücken drückte. Was für ein Gentleman! Wie gaben Männer wie Don Settebello erotisches Interesse zu erkennen? Vermutlich genau wie andere Männer, obwohl Lula sich da nicht sicher war. Abgesehen davon war er ihr Anwalt. Wenn sie miteinander schliefen, würde ein so prinzipientreues Mannsbild wie Don das Gefühl haben, sich ihres Greencard-Antrags entledigen zu müssen, was Sex mit Don zu einer Lose-lose-Situation machen würde. Unerwünschte Gedanken an Alvo verstopften ihr das Hirn. Oder vielleicht doch nicht so unerwünscht. Lula griff nach ihrem Glas und widmete sich weiter ihrem Weg zum beschwipsten Wohlbefinden.
    Eine Kolonne von Obern umzingelten den Tisch, beluden ihn mit Shrimps-Cocktails, Holzbrettern mit kunstvoll angerichteter Pâté und Sülze, Käse, Pickles, Tellern mit in kostspieliger Wintersonne gereiften Tomaten, jede rote Scheibe verpackt unter ihrer eigenen schneeweißen Decke aus Mozzarella. Immer neue Teller kamen, zweimal so viel, wie sie essen konnten. Die Hälfte würde an die Küche zurückgehen. Die Ober würden heute Abend fürstlich speisen. Wie es ihnen zustand, fand Lula.
    Sie bediente sich mit einem Shrimp, erstaunlich fest und frisch und süß, wenn man die Jahreszeit bedachte. Trotzdem Übelkeit erregend. Lula griff nach dem Weinglas und stellte es ab, ohne zu trinken, inzwischen froh, dass sie so weit von Mister Stanley und Don entfernt saß.
    Zeke und Abigail starrten geradeaus, als säßen sie im Kino. Abigails Aufmerksamkeit zu erringen war leicht, doch zu ergründen, was man damit anfangen sollte, fiel eher schwer. Ihre bleichmittelblauen Augen schreckten Lula zu der Frage auf: »Wie gefällt es dir in der Schule?«
    »Meine Schule ist totale Scheiße«, antwortete Abigail. »Mein Dad zahlt dreißig Riesen im Jahr, damit ich meine Lehrer mit Vornamen anreden kann.«
    »Jede Schule ist scheiße«, sagte Lula.
    Abigail wollte das nicht gelten lassen. »Wollen Sie wissen, wie scheiße meine ist? Haben Sie je Macbeth gelesen?«
    »Ich hab Macbeth gelesen«, sagte Zeke.
    Abigail sagte: »Wir mussten einen Teil des Stückes auswendig lernen und vor der Klasse vortragen, und ich hab die Rede der Hexen genommen …«
    »Passt«, sagte Zeke.
    »Ach? Jedenfalls, meine Lehrerin sagte, ich hätte es mir leicht gemacht, weil es sich reimte, aber sie ließe es trotzdem gelten, weil ich es mit Kraft und Leidenschaft vorgetragen hätte. Kraft und Leidenschaft. Wie krass ist das denn?«
    »Endkrass«, stimmte Zeke zu.
    »Scheißblöde Zicke.« Abigail verzerrte das Gesicht und krächzte: »Mischt ihr alle! Mischt am Schwalle!«
    Hatten Don und Mister Stanley ihnen zugehört? Es war nicht an Lula, ihrem Anwalt zu sagen, dass seine kostbare kleine Tochter wie eine Ungarin

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