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Luegen auf Albanisch

Luegen auf Albanisch

Titel: Luegen auf Albanisch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francine Prosse
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Groschen – Europa! –, und er lehnte sich entspannt zurück.
    »Ich hab schon einen Schluck Wasser getrunken«, sagte Zeke. »Zählt das?« Er starrte in sein Wasserglas, als stiege daraus Unglück wie ein Flaschengeist auf.
    »Ein Schluck zählt nicht«, sagte Lula und wünschte, es wäre so.
    Lulas erster Schluck Wein schmeckte, als tränke sie Samt oder Pfeifenrauch oder flüssigen Brokat. Eine ganze Geschmackskaskade erhellte die Zukunft genug, dass sie sich, wenn sie sich bisher auch noch nicht glücklich fühlte, doch vorstellen konnte, vor dem Ende des Abends glücklich zu sein. Um das zu beschleunigen, leerte sie ihr Glas und winkte dem Ober, ihr nachzuschenken. Nur ein paarmal in ihrem Leben hatte sie so guten Wein getrunken, immer dann, wenn ein Tisch im La Changita die Edeltropfen bestellte und so stockbesoffen wurde, dass sie die halbe Flasche stehen ließen, die Lula dann versteckte, damit sie später mit Dunia und Luis und Franco den Zweihundert-Dollar-Amarone leeren konnte.
    »Himmel«, sagte Don Settebello. »Wo wir gerade von Unglück sprechen. Einer meiner Mandanten, ein Salvadorianer, hat gerade seine Greencard bekommen, der Junge war daheim Journalist, und jetzt hat er einen Job bei CNN . Er ist also auf dem Weg, seinen Vertrag zu unterschreiben, überquert den Broadway an der Einundfünfzigsten, ein Taxi schrammt über den Bordstein, der Fahrer hat den Job erst seit diesem Tag, und der saublöde Arsch – entschuldigt, Kinder – fährt meinem Mandanten über den Fuß.«
    »Ein Albtraum!«, sagte Mister Stanley. »Darum ist defensives Fahren so entscheidend, Zeke. Die Straßen wimmeln vor Wahnsinnigen.«
    »Warte. Es kommt noch schlimmer«, sagte Don. »Der Fuß des Jungen ist zerquetscht, sie operieren stundenlang an ihm, flicken ihn mit Kaugummi und Klebeband zusammen, so gut wie neu, oder praktisch wie neu. Sie stellen ihm ein Rezept für Physiotherapie aus, wobei jemand merkt, dass er keine Krankenversicherung hat, und sie schieben ihn ab, weil keine Einrichtung ihn aufnehmen will.«
    »Schieben ihn wohin ab?«, fragte Mister Stanley.
    »Außer Landes«, sagte Don.
    »Können sie das machen?«, fragte Lula.
    Don zuckte die Schultern. »Meine Liebe, wir alle wissen verdammt gut, dass sie machen können, was immer sie verdammt noch mal wollen.«
    »Und wo ist er jetzt?«, fragte Mister Stanley.
    »Juarez, soviel ich weiß. Sie schaffen die armen Kerle über die Grenze. Meine E-Mails kommen alle zurück, was nie ein gutes Zeichen ist.«
    Lula hatte das Gefühl, ihr Wein sei durch einen eisigen Säurepunsch ersetzt worden. Augenblicklich nüchtern, sagte sie: »Ich habe da diese Freundin …«
    »Krankenversicherung«, sagte Mister Stanley. »Wer würde sonst arbeiten wollen?«
    »Du, Stan«, sagte Don. »Und weißt du, warum? Weil du der Einzige in Amerika bist, der immer noch darauf wartet, dass die Wall Street ihr Versprechen hält. Wie lange geht das jetzt schon?«
    »Zwölf Jahre«, erwiderte Mister Stanley bedrückt.
    »Wie doch die Zeit verfliegt!«, sagte Don. »In Bill Clintons erstem Amtsjahr lässt sich der gutmütige Stan aus seinem Elfenbeinturm locken, von diesen Headhuntern – ist das nicht ein toller Ausdruck? –, die behaupten, ein neues Programm auflegen zu wollen, ein sozialbewusstes Grameen-Bank-Ding, kleine Kredite an kleine Unternehmen. Hilfe für den kleinen Mann. Gute Taten und gutes Geld. Wer hätte da Nein sagen können? Bloß dass die Sache mit den guten Taten nie passierte, wie ich dich gewarnt hatte. Weißt du noch, was ich sagte? Ich sagte, leg dich mit den großen Hunden nieder, und du stehst mit großen Flöhen auf – in einem Eckbüro! Und nun musst du Zwangsvollstreckungen gegen denselben kleinen Mann beantragen, dem du helfen würdest, wie du dachtest, und selbst jetzt, selbst jetzt glaubt immer noch ein Teil von dir, dass sich die Dinge ändern werden und du etwas tun …«
    »Das nennt man den Zeugen bedrängen!«, sagte Mister Stanley.
    »Lula«, sagte Don. »Hat Stan Ihnen je erzählt, dass die jungen Kerle in seinem Büro ihn Professor nennen? Hat er Ihnen je erzählt, wie damals, als wir noch Kinder in Rockaway waren, der Raufbold aus der Nachbarschaft Stan zehn Dollar bot, zu der Zeit ein Vermögen, wenn er ein Bier aus dem Eckladen klaute? Stan hat’s gemacht, nicht so sehr wegen des Geldes, sondern weil er glaubte, der Junge würde ihn tatsächlich bezahlen. Selbst da hat Mr. Großherz schon geglaubt, die Leute würden ihre Versprechen halten.

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