Luegen haben huebsche Beine
die echte Lady Charlotte ist nach wie vor in Johannesburg. Die Schlossbesichtigung ist für Sonntag geplant. Bist du hingefahren und hast alles ausgekundschaftet?« Ihre Augen wurden schmal.
»Ja. Die Haushälterin ist sonntags zwischen zehn und achtzehn Uhr nicht da, weil sie dann immer ihre Schwester besucht. Ich habe es geschafft, Wachsabdrücke von den Schlüsseln zu machen, und Kip hat den Code der Alarmanlage geknackt und auch den der Videoüberwachungsanlage.« Ich lächelte. Hey, ich war gut in meinem Job, auch wenn ich mich hier nur selbst lobte!
»Prima. Irgendwelche Probleme?« Sie hockte sich auf ihre elegant untergeschlagenen Beine und blickte mich forschend über den Rand ihres Teebechers an.
Auf einmal fühlte sich der Sitz unter mir gar nicht mehr so bequem an. »Nein, nicht wirklich.« Vielleicht hätte ich sagen sollen, dass ich einstmals gut gewesen war in meinem Job. Seit meiner Blitzschlag-Episode war alles anders geworden. Der Besuch, den Kip und ich Manytown abgestattet hatten, war dafür nur ein weiteres Beispiel.
»Was ist passiert?« Charlies Stimme nahm einen scharfen Ton an.
»Nichts ist passiert, nicht wirklich.« Was die Wahrheit war. Es war nur wieder so eine Kleinigkeit gewesen wie die am Vortag im Hotel mit Freddie.
»Abbey?« Charlie stellte ihren Becher vorsichtig auf den Sofatisch und schenkte mir ihre ungeteilte Aufmerksamkeit.
»Es war nichts, ehrlich nicht.« Ich kannte diesen Blick. Den hatte sie schon aufgesetzt, als wir noch Kinder waren. Es war ein Blick, der einen dazu verleitete, alle möglichen und unmöglichen Vergehen zu beichten, nur damit sie endlich aufhörte, einen so anzusehen. Und weil ich mich nicht beherrschen konnte: »Es ist einfach so, dass ich mich seit dem Unfall ein bisschen … merkwürdig fühle.«
Charlie nickte. »Sprich weiter.«
»Es geht mir gut, und bei der Arbeit läuft alles. Es ist nur …«
»Mach es nicht so spannend, Abbey!«
»Na ja, manchmal, wenn mich jemand etwas fragt, ist es so, als könnte ich nicht kontrollieren, was ich darauf antworte.«
Charlie blinzelte. »Wie meinst du das?«
»Erinnerst du dich an unser letztes Treffen mit Freddie?«
Sie verzog das Gesicht.
»Daran, dass du wütend geworden bist, weil er mich gefragt hat, wo ich wohne.«
Charlie runzelte die Stirn. »Ja, was sollte das? Du hast ihm den Stadtteil genannt, und wenn ich dir nicht ins Wort gefallen wäre, hättest du ihm unsere vollständige Adresse gegeben.«
»Na ja, da hast du es. Ich konnte nicht dagegen an. Normalerweise hätte ich gelogen, wäre bei unserer Story geblieben, aber ich konnte echt nicht dagegen an. Ich musste ihm die Wahrheit sagen.«
»Was soll das heißen?«
»Als ich zum Schloss gefahren bin, habe ich da eine Weile auf der Lauer gelegen, um auf die richtige Gelegenheit zu warten, an die Schlüssel zu kommen. Ich habe meine Verwirrte-und-verirrte-Touristin-Nummer abgezogen, und alles lief prima. Dann hat die Haushälterin mir eine konkrete Frage gestellt, und es ist wieder passiert. Ich bin total ehrlich gewesen.«
Sämtliche Farbe wich aus Charlies Gesicht. »Was hat sie dich gefragt?«
»Ich habe vorgegeben, Französin zu sein, also habe ich ihr, als wir uns das erste Mal trafen, gesagt, dass ich aus Paris stamme. Nur hat sie mich dann gefragt, seit wann ich denn in England wäre.« Ich hielt inne, um rasch einen Schluck Tee zu trinken. So ganz war ich mir selbst noch nicht im Klaren, was danach eigentlich passiert war.
Charlie starrte mich an.
»Ich konnte nichts dafür. Ich habe den Mund aufgemacht mit der Absicht, ihr zu sagen, dass ich für ein paar Wochen Urlaub hier sei, aber stattdessen habe ich gesagt, dass ich noch nie in Frankreich gewesen wäre.«
»O mein Gott!«
»Zum Glück kam Kips Anruf genau im richtigen Moment, sodass sie meine Antwort nicht mitbekommen hat.«
Charlie stöhnte und fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Das ist verrückt. Wie oft ist das jetzt passiert? Zweimal? Und du behauptest, dass du nur die Wahrheit sagen kannst, wenn dich einer was fragt?«
Ich nickte. »Es ist schon häufiger als zweimal passiert.«
»Wir sollten das kontrollieren. Ich meine, das könnte eine von diesen psychosomatischen Geschichten sein. Vielleicht solltest du noch einmal zum Arzt gehen.«
Auf meinem restlichen Tee hatte sich eine eigenartige Oberfläche gebildet. »Ich weiß nicht. Die Ärzte haben gesagt, dass Menschen, die von einem Blitz getroffen werden, manchmal ganz merkwürdige Phänomene erleben.
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