Lügen haben sexy Beine
war es ja auch keine Lüge. Sie verheimlichte ihm lediglich ein paar Tatsachen, und daran war eigentlich nichts Schlimmes. Schließlich tat sie es für einen guten Zweck.
„Mann, ich frage mich, wie viele Menschen sich vor mir mit diesem Gedanken getröstet haben.“
Seufzend wünschte sie sich, die Sache sähe anders aus. Doch mit reinem Wunschdenken bewirkte man gar nichts, das wusste Ivy nur allzu gut. Außerdem hatte das Spiel bereits begonnen. Sie hatte den ersten Schritt getan und konnte keinen Rückzieher mehr machen. Sie war hier und würde tun, was sie tun musste.
Und dann würde Tanner King schon merken, dass er einen ebenbürtigen Gegner hatte.
2. KAPITEL
„Damit will ich sagen“, raunzte Tanner King in den Hörer, „dass dich ein Weihnachtsmarkt im August in den Wahnsinn treiben kann.“
„Hm-hm.“ Die Stimme am anderen Ende der Leitung klang amüsiert. „Du hörst dich an wie einer dieser Idioten, die neben einen Flughafen ziehen und sich dann über den Lärm beschweren.“
Tanner blickte verärgert aus dem Fenster auf die mit Tannen bepflanzte Fläche, die an sein Grundstück grenzte. Am Abend machte das alles tatsächlich einen friedlichen Eindruck, doch der Schein trog. Durch das geöffnete Fenster drang Pinienduft herein. Tanner runzelte die Stirn. Bei dem Anblick schien es unvorstellbar zu sein, wie laut und unruhig es hier tagsüber war.
„Was willst du mir eigentlich sagen?“
„Dass du gewusst hast, worauf du dich einlässt“, entgegnete sein Cousin Nathan fröhlich, „als du das Anwesen vor einem Jahr gekauft hast. Dir war doch klar, dass die Christbaumfarm quasi mit dazugehört. Also jammere jetzt nicht rum!“
„Erstens“, erklärte Tanner, „jammere ich nicht. Und zweitens, welche Weihnachtsbaumfarm hat das ganze Jahr über geöffnet? Das hat mir niemand gesagt, als ich das Anwesen gekauft habe.“
Natürlich nicht, denn er hatte auch nicht danach gefragt. Aber, dachte Tanner, wer würde das schon? Als er das Anwesen erworben hatte, hatten seine Nachbarn ihm zwar von dem wunderbaren Ausblick vorgeschwärmt. Hingehört hatte er aber nur mit halbem Ohr. Lag es nicht in der Natur der Sache, dass Weihnachtsbäume nur zu Weihnachten verkauft wurden? Während sein Cousin weiter auf ihn einredete, blickte Tanner kopfschüttelnd aus dem Bürofenster auf das gegenüberliegende Grundstück.
Seit gerade mal zwei Monaten lebte er nun hier – zuvor hatten die Bautrupps ganze Arbeit geleistet und das Anwesen in einen wahren Traum verwandelt. Als Tanner schließlich eingezogen war, hatte er gehofft, Ruhe zu finden. Wer hätte das nicht, mit einem Tannenwäldchen vor der Tür? Stattdessen musste er jeden Tag hilflos mit ansehen, wie Besucherhorden auf der Angel Christmas Farm einfielen.
Abgesehen von seinen Nachbarn ließ das Haus wirklich keine Wünsche übrig. Inmitten dieses Traums aus Glas und Holz hatte er alles, was er brauchte. Der Blick auf mehrere Morgen Land mit Tannen, die sich meilenweit über die Landschaft erstreckten, war fantastisch. Aber es waren auch nicht die Bäume, die ihn störten, sondern das geschäftstüchtige Treiben ihrer Besitzer. Scheinbar hatten die Angels, denen die Farm gehörte, sich vorgenommen, das Saisongeschäft aufs ganze Jahr auszudehnen.
An fast jedem Wochenende wurden hier Hochzeiten gefeiert, Picknicks veranstaltet und Kindergeburtstage ausgerichtet. Ein nicht enden wollender Strom von Autos schob sich unaufhörlich die Straße neben seinem Grundstück hoch. Die Angel Christmas Farm ging ihm mittlerweile ziemlich auf die Nerven.
Doch das war beileibe nicht das Schlimmste. Nein, das Allerschlimmste war die Dauerbeschallung aus den kleinen Lautsprechern an den Telefonmasten. Weihnachtsmusik. Im August. Draußen brannte die Sonne, während Tanner täglich „White Christmas“ über sich ergehen lassen musste. Und das, während er normalerweise schlief.
„Du könntest wie jeder normale Mensch nachts schlafen, statt das Leben eines Vampirs zu führen“, schlug Nathan ihm vor.
„Das habe ich ja versucht“, murmelte Tanner und starrte auf den Computerbildschirm. „Aber versuch mal, ein mittelalterliches Kriegsspiel zu entwickeln, wenn im Hintergrund ‚Jingle Bells‘ in Endlosschleife läuft.“
Nein, dachte er, ich kann hier nur nachts arbeiten. Schon waren seine Gedanken wieder bei dieser attraktiven Frau, die tagsüber in seinem Haus werkelte. Wie sollte er sich auf seine Arbeit konzentrieren, wenn sie nur eine Etage tiefer
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