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Lügen in Kriegszeiten

Lügen in Kriegszeiten

Titel: Lügen in Kriegszeiten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Ponsonby
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patriotischen Gründen, seine Geschichte nicht verderben lassen, und sie fand in Manchester weiteste Verbreitung 7 .
    Das Interessante an dieser Lüge ist, daß sie auch in Deutschland mit Variationen im Umlauf war. Eine Dame in München erhielt einen Brief von ihrem Sohne, der in russischer Gefangenschaft war. Er schrieb ihr, sie solle die Marke von seinem Briefe ablösen, „da sie eine seltene sei“. Sie folgte der Weisung und entdeckte darunter geschrieben: „Man hat mir beide Füße abgenommen, so daß ich nicht entfliehen kann.“ Die Geschichte wurde verlacht und fand so ihr Ende, aber erst, nachdem sie auch in Augsburg und in anderen Städten aufgetaucht war.
    Wahrscheinlich ist dies eine von jenen Geschichten, die man in jedem Kriege zu hören bekommt.

 
    16
    Der tätowierte Matrose
     
    Gegen Schluß des Jahres 1918 konnte man oft hören, daß englische Gefangene mit dem deutschen Adler, einer Schlange oder anderen Zeichnungen im Gesichte tätowiert worden seien. Diese Aussagen wurden durch Photographien bekräftigt. Das Interessante an dieser Lüge ist, daß sie von einer ganzen Anzahl verschiedener Personen auszugehen schien, von denen jede sich bestrebte, ein völlig unbegründetes Gerücht soviel als möglich auszuschmücken.
     
    Die Beschuldigungen vom Tätowieren nicht bestätigt.
     
    Am 7. Dezember erschien in der Presse die Nachricht, daß in Newcastle ein Schiffsheizer namens Burton Mayberry angekommen sei, dessen Wangen mit Schlangenköpfen tätowiert waren, die ihm, wie er sagte, bei der Torpedierung seines Schiffes im April 1917 auf Befehl eines deutschen Unterseebootkommandanten von zwei Matrosen im Atlantischen Ozean aufgebrannt worden waren. Bilder von Mayberry, die den Schlangenkopf auf jeder Wange zeigten, erschienen auch in verschiedenen illustrierten Zeitungen.
    Der Sache wurde nachgegangen, und es wurde festgestellt, daß Mayberry am 13. November um Eintragung als Seemann nachgesucht hatte, ehe er sich zum Dienste in der britischen Handelsmarine meldete, und daß er in diesem Gesuche angegeben hatte, daß er noch nicht zur See gewesen war. Er ist jetzt verschwunden, und es scheint, daß er verschwand, nachdem er aufgefordert worden war, seine Eintragungsbescheinigung in Empfang zu nehmen. Ehemalige Kameraden Mayberrys sagen aus, daß er von dem angeblich ihm zugefügten Schimpf nie etwas erwähnte.
    In letzter Zeit sind in der Presse häufig Berichte über angebliche Brandmarkungen britischer Soldaten von seiten der Deutschen erschienen, aber die zuständigen Behörden konnten keine Bestätigung dieser Angaben erlangen.
    „Times“, 23. Dezember 1918.
     
    Der folgende Auszug aus dem Manchester Guardian und die Ausführungen von „Artifex“ (das Pseudonym eines wohlbekannten Geistlichen in Manchester) geben andere Versionen der Geschichte ausführlicher:
     
    Unser Mitarbeiter „Artifex“ wagte vergangene Woche die Äußerung, daß die Geschichte von dem von den Deutschen auf der Wange tätowierten Gefangenen, die durch einen Teil der Presse unter einfachen Leuten vielfach verbreitet wurde, durch keine glaubwürdige Beweisführung bestätigt sei. Er erzählt uns heute, daß er seitdem mit Briefen überschwemmt worden ist, denen allen ganz genaue Berichte über die Art der Tätowierung beigelegt waren und die außerdem Einzelheiten über das frühere Leben des Mannes, seine gegenwärtige Beschäftigung und seine Familienverhältnisse enthielten. Jeder von den Korrespondenten, die diese Briefe sandten, war ohne Zweifel durch den Zeitungsabschnitt, den er mitschickte, in seinem Glauben an die Wahrheit der Geschichte und an die geflissentliche Blindheit des „Artifex“ bestärkt worden. Zum Unglück für ihre Verfasser weichen die Geschichten in wesentlichen Punkten so sehr voneinander ab, daß es jedem, der sie miteinander vergleicht, was „Artifex“ getan hat, klar sein muß, daß sie einer Legende entsprungen sein müssen, die, schnell verbreitet, im Umlauf immer neue Formen annahm. Wenn das noch nicht genügen sollte, so liegen noch unwiderlegbarere Beweisführungen vor. Es heißt, die Kamera kann nicht lügen. Nun sind aber am 9. Dezember in zwei verschiedenen Zeitungen Photographien des Opfers erschienen. Jedes Bild zeigt sein ganzes rechtes Profil. Auf dem einen ist die Wange mit einer Schlange in Lebensgröße in Schwarz gebrandmarkt, auf dem anderen ist sie nur mit dem Umrisse eines Schlangenkopfes geziert. Eine Tätowierung ist jedoch ein unvergängliches Mal, das

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