Lügen in Kriegszeiten
bedarf nur weniger Ziffern, um zu zeigen, wie falsch dieses Schlagwort war, wenn überhaupt je jemand daran geglaubt hat. Die Morning Post war so ehrlich, es als „dieses dumme Geschwätz“ zu bezeichnen.
Das britische Reich
Ausgaben für Kriegsdienste
1913–1914
1924–1925
£ 110 750 000
£ 117 525 000
Wenn man auch den geringeren Geldwert vollauf in Rechnung zieht, infolgedessen die zweite Ziffer eher eine kleine Verminderung als eine Steigerung der Ausgaben bedeuten würde, so ist doch eine wesentliche Herabsetzung derselben, wie sie als eine Folge eines Krieges zur Austilgung des Militarismus zu erwarten wäre, keineswegs ersichtlich.
Für denselben Zeitabschnitt betrugen die vereinten Gesamtausgaben der vier alliierten Mächte, Frankreich, Italien, die Vereinigten Staaten und Japan:
1913
1925
£ 194 380 625
£ 244 864 477
Seit dem Kriege, das heißt von 1918 bis 1926, hat Großbritannien für Rüstungen über £ 1 300 000 000 ausgegeben. Die Vorhersage, daß der Krieg den Militarismus austilgen würde, war daher die übertriebenste und törichtste aller Spekulationen. Es hieße die Intelligenz der Staatsmänner beleidigen, wollte man annehmen, daß irgendeiner von ihnen auch nur einen Augenblick an die Wahrheit dieses Schlagwortes geglaubt hat.
Ein Krieg zur Verteidigung kleiner Staaten
Das Ultimatum an Serbien und die Verletzung der belgischen Neutralität lösten das weitverbreitete Schlagwort aus, daß wir „für die Rechte kleiner Staaten“ kämpfen.
Es bedeutet zunächst, daß für die unabhängige Existenz und die freie Entwicklung der kleineren Staaten, von denen jeder sein eigenes solidarisches Selbstbewußtsein hat, Raum geschafft und bewahrt werden muß.
Mr. Asquith über Kriegsziele,
Dublin, 26. September 1914.
Es gab noch eine Menge ähnlicher Erklärungen seitens verantwortlicher Minister.
Aber dieses Schlagwort war ebensowenig wahr wie die übrigen. Abgesehen von den Minderheiten, die infolge der Grenzziehungen, bei denen nicht Rasse oder Nationalität, sondern strategische Gründe maßgebend waren, unter fremde Herrschaft kamen, ist Montenegro infolge der Friedensverträge von der Karte verschwunden, obgleich der Premierminister am 5. Januar 1918 die Wiederherstellung Montenegros eigens erwähnte (National War Aims pamphlet Nr. 33), die britische Besetzung von Ägypten dauert fort, die Syrer sind von den Franzosen hart unterdrückt worden (die Beschießung von Damaskus), der Versuch der Riffbewohner, ihre Unabhängigkeit zu erlangen, führte zu deren Ausrottung. Nicaragua und Panama werden der politischen Herrschaft der Vereinigten Staaten unterworfen, und es könnten noch weitere Fälle angeführt werden, in welchen der Kampf der „kleinen Staaten“ lediglich als eine revolutionäre oder umstürzlerische Bewegung angesehen wird. In den Augen der Großmächte mögen für die angeführten Fälle gute politische Gründe vorhanden sein, aber das Bestreben, das Volk zu überzeugen, daß wir um der kleinen Staaten willen kämpften, war die reinste Heuchelei.
Ein Krieg, um die Welt für die Demokratie sicher zu machen
Die Ungereimtheit dieses sinnlosen Schlagwortes der Alliierten, zu denen auch das zaristische Rußland gehörte, liegt auf der Hand. Die Ergebnisse haben seine Unaufrichtigkeit erwiesen. In Italien herrscht jetzt die grausamste Diktatur, die je aufgestellt wurde; in Spanien eine Nachahmung derselben; in Polen eine verschleierte Diktatur; in Griechenland eine Reihenfolge von versuchten Diktaturen; in Ungarn etwas der Diktatur sehr Nahekommendes; die Türkei und Persien werden beide von Personen mit fast unumschränkten Vorrechten beherrscht, und das Sowjetsystem ist eine Form von Diktatur. In der Tat ist die parlamentarische Regierung, außer in Großbritannien, in den Vereinigten Staaten, in Skandinavien, Belgien, Holland und der Schweiz, überall, wo sie nicht gänzlich abgeschafft wurde, in großer Gefahr gewesen.
Ein Krieg, um den Kriegen ein Ende zu machen
Dieser Schlachtruf war kein sehr origineller. Er ist schon in früheren Kriegen ausgestoßen worden, obgleich jeder Schuljunge weiß, daß der Krieg wieder Krieg erzeugt.
Wir sind mit den falschen Ratschlägen von Politikern und Sentimentalisten, die sogar jetzt noch vorgeben, daß dies ein Krieg ist, um den Kriegen ein Ende zu machen, lange genug getäuscht worden. Es wird immer Kriege geben, solange die menschliche Natur eben die menschliche
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