Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)
80286er-Prozessoren. Ich nutzte damals die Gelegenheit, um mithilfe dieser Rechner in diversen Experimenten Einsichten in die Statistik zu vermitteln. Mit der Seminarveranstaltung »Statistik am PC« wurden die doch sehr theorielastigen Vorlesungen an praktischen Beispielen veranschaulicht. Das Experiment zur Qualität von Wahlprognosen machte deutlich, wie groß eine Stichprobe sein muss, um eine bestimmte Genauigkeit der Aussage zu erzielen. Dafür gibt es zwar einige Formeln in der Formelsammlung, die die Studierenden kennen müssen, aber die meisten verstehen diese Formeln erst, wenn sie sie am praktischen Beispiel anwenden. 1 Mit dem Reiz des Spiels zeigte sich, was beim Schätzen geht und was eben nicht. Die Demonstration hatte allerdings einen Nachteil: Ihre Ergebnisse waren so spannend, dass die Studierenden darüber den theoretischen Hintergrund zwischendurch meist völlig vergaßen.
Kapitel 8
Die Magie der Prognose
Wenn Sie hier ein Potpourri der Propheten erwartet haben, die sich im weiteren Verlauf der Geschichte als Lügner oder Irrende lächerlich gemacht haben, werden wir Sie enttäuschen. Das war uns zu billig, auch wenn uns mancher Lacher sicher wäre.
Wie weit wir in die Zukunft schauen können
Um dies ernsthaft aufzuzeigen, beginnen wir mit dem Klassiker unter den Prognosen, der Wettervorhersage . Dem Schweizer Fernseh-Meteorologen Jörg Kachelmann 1 verdanken wir nicht nur die Erkenntnis, dass man mit Wettervorhersagen ein Geschäft machen kann, sondern auch eine gewisse Kultur im Umgang mit einem schwierigen Widerspruch: hier die sprichwörtliche Unsicherheit von Wettervorhersagen, da der Anspruch der Wissenschaft, verlässliche, »harte Fakten« zu liefern. Wenn Kachelmann den voraussichtlichen Temperaturverlauf der nächsten drei Tage auf den Fernsehschirm brachte, verwies er uns oft mit einem Lächeln des Bedauerns auf zwei Grundsätze realistischer Prognosen:
Je weiter man in die Zukunft geht, desto größer wird das Spektrum der Unsicherheiten.
Den gegenwärtigen Trend kann man realistisch in die Zukunft hinein verlängern, solange keine unvorhergesehene Wendung eintritt.
Aufs Wetter von morgen, übermorgen und so weiter bezogen, heißt das zum Beispiel: Morgen wird die Höchsttemperatur bei Ihnen voraussichtlich zwischen 10 und 13 Grad Celsius liegen, übermorgen voraussichtlich zwischen 9 und 14 Grad Celsius, in drei Tagen voraussichtlich zwischen 8 und 15 Grad Celsius. Der zweite Punkt führt zu der wenig überraschenden Prognose: Wenn das Wetter so bleibt, wie es ist, wird es übermorgen wohl so sein wie heute. Wenn es sich aber ändert, wird es übermorgen deutlich anders sein. Oder allgemeiner gesagt: Wenn Prognosen scheitern, dann liegt das meist an unvorhersehbaren Wendungen.
Hier meldet sich allerdings der Meteorologe zu Wort und sagt freundlich: »Herr Prof. Bosbach, Herr Korff, ich will Sie nicht belehren, aber ein kleiner Hinweis sei mir erlaubt: Wenn wir einen Trend in die Zukunft hinein verlängern, kann das auch eine Bewegung sein; das muss kein statischer Zustand sein. Wir sehen zum Beispiel, wie sich ein Frontensystem in einer bestimmten Geschwindigkeit auf Deutschland zubewegt. Auch das ist ein Trend, aus dem wir schließen können, dass sich das Wetter morgen wahrscheinlich ändern wird, es also wahrscheinlich regnen wird, obwohl heute die Sonne geschienen hat.«
Da hat er recht; wir haben die Dinge eben zu sehr vereinfacht. Es kann sogar sein, dass der prognostizierte Trend auf eine Änderung hindeutet und die überraschende Wendung, die dem Trend den Garaus macht – das Frontensystem kommt zum Beispiel plötzlich zum Stillstand – bewirkt, dass
das Wetter so bleibt wie es war, nämlich sonnig. Die Drei-Tages-Prognosen der Wetterfrösche kommen nach Angaben von Herrn Kachelmann immerhin auf eine Trefferquote von 75 Prozent.
Auch die Geschäfte mit Wetterprognosen deuten darauf hin, dass wir Europäer ohne Prognosen offenbar kaum leben können. Wenn ich mir eine Bahnfahrkarte nach Berlin kaufe, prognostiziere ich zumindest, dass der Zug, mit dem ich fahren will, tatsächlich kommen und nach Berlin fahren wird. Wenn Sie drei Wochen vor Weihnachten Geschenke für Ihre Lieben einkaufen, wagen Sie die Prognose, dass die zu beschenkenden Personen drei Wochen später alle noch leben und zu Ihren Lieben zählen. Und wenn sich Ihr Nachbar bei der Bank einen Kredit holt, prognostiziert er (in der Regel), dass er ihn später wird zurückzahlen können – und die Bank
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