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Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Titel: Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Bosbach , Jens Jürgen Korff
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rechnet normalerweise damit, dass sie den Kredit einschließlich Zinsen vom Kreditnehmer zurückbekommen wird.
    Wenn wir solche Voraussagen für die Zukunft treffen, gehen wir meistens davon aus, dass Dinge, die in der Vergangenheit geklappt haben, auch in Zukunft gelingen werden. Wir sehen also einen Trend, eine bestimmte regelmäßige Entwicklung, und verlängern sie in die Zukunft. Die Erfahrung hat uns gelehrt, dass das meistens stimmt. Allerdings nur dann, wenn wir uns auf Voraussagen für einen kurzen Zeitraum beschränken (der je nach Prognoseart auch einmal etliche Monate umfassen kann). Sobald wir wesentlich längere Zeiträume ins Auge fassen, lässt die Zuverlässigkeit unserer Prognosen rapide nach – auch dann, wenn es um Entwicklungen geht, die nicht ganz so wechselhaft sind wie das Wetter.
    Fußball-Kommentatoren zum Beispiel setzen sich gerne über diese Erkenntnis hinweg. So schrieb der Fußballverein
Schalke 04 am 29. Februar 2008, einen Tag vor einem sehr wichtigen Spiel gegen Bayern München, auf seiner Website: »S04 seit acht Jahren auf Schalke gegen Bayern ungeschlagen.« Als Prognose verstanden haftet einer solchen Aussage etwas Magisches an. Man hofft, eine Art Geist des Ortes – genius loci , wie die alten Römer sagten – zu beschwören, um das bevorstehende Spielergebnis zu beeinflussen. Allerdings verwiesen die Gelsenkirchener auch auf einen Gegentrend: »Diese Bilanz müssen die Schalker gegen die auswärtsstärkste Mannschaft der Liga verteidigen: Die Münchner gewannen drei der vergangenen vier Gastspiele und verloren nur eine der letzten dreizehn Auswärtspartien … « Welcher Trend war der stärkere? Das Spiel am 1. März 2008 gewannen die Bayern mit 1:0. Auch eine achtjährige Serie kann also ganz plötzlich vorbei sein. Sie sehen die Willkür, die solchen Trendprognosen anhaftet: Für fast jedes gewünschte Ergebnis finden Eckenzähler und andere Statistiker in der Vergangenheit einen passenden Trend, der nach Fortschreibung schreit.
    Im Herbst 2008 legten die üblichen Verdächtigen unter den deutschen Wirtschaftsforschern Prognosen für die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts im Jahr 2009 vor. Die Mehrheit hatte sich für ein Nullwachstum entschieden. Gut ein Jahr später wussten wir: Die deutsche Wirtschaftsleistung war 2009 krisenbedingt um knapp 5 Prozent geschrumpft. Die Prognose war ein Opfer des Umstands geworden, dass sich die Weltwirtschaft stärker verändert hatte als angenommen. Wenn ein Strukturbruch eintritt, taugen Prognosen fast nichts mehr. Auch wir wollen hier unser Glück versuchen und eine Prognose für die nächsten Jahre wagen: Trotz vieler schlechter Erfahrungen werden die Wirtschaftsjournalisten das jeweils neue »Gutachten zur gesamtwirtschaftlichen Lage« mit seinen
Prognosen wieder als der versammelten Weisheit letzten Schluss präsentieren und Schlagzeilen dazu texten wie: »Wirtschaft wächst um 1,1 Prozent«.
    Das jeweils nächste Jahr scheint für Prognostiker aller Art eine besonders harte Nuss zu sein. Nicht nur Astrologen beißen sich daran regelmäßig die Zähne aus – die bei diesem Berufsstand allerdings rasch nachwachsen. Bundesregierungen ergeht es nicht anders. Als die Regierung Schröder im März 2003 ihre inzwischen berüchtigte »Agenda 2010« vorlegte, wussten Gerhard Schröder, Wolfgang Clement und Hans Eichel viel über die Zeit ab 2010 zu erzählen. Ziemlich dünn wurden ihre Lippen und Auskünfte, als man sie nach Details des Bundeshaushalts 2004 fragte.
    Im Gespräch den Bogen über Jahrzehnte hinweg zu schlagen macht anscheinend mehr Spaß. Langfristige Wirtschaftsund Bevölkerungsprognosen haben sogar schon eine über zweihundertjährige Geschichte.
    Der Ökonom Thomas Robert Malthus prognostizierte 1798, dass das Bevölkerungswachstum unweigerlich zu Hungerkatastrophen führen müsse.
    Im Jahr 1798 formulierte der britische Ökonom Thomas Robert Malthus eine umfassende Prognose über die Entwicklung der Weltbevölkerung und des Nahrungsangebots der Erde. Er hielt sie sogar für ein mathematisches Axiom, also eine Art Grundgesetz der Zahlen. Malthus nahm an, dass die Bevölkerung exponentiell anwachsen werde – dass also das Wachstum immer schneller würde –, die Nahrungsmittelproduktion aber nur linear, also in gleichbleibendem Tempo wachse. Daher entstünden unweigerlich eines Tages »überflüssige Menschen«, die nicht ernährt werden können und deshalb durch Seuchen, Kriege oder andere Unglücke dezimiert werden

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