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Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Titel: Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Bosbach , Jens Jürgen Korff
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sachlichen Arguments, während noch in der Renaissance Rhetorik – schillernd zwischen Überzeugungs- und Überredungskunst – die Sprache der politischen Auseinandersetzung bestimmen sollte.
    Dass mit schieren Vernunftargumenten Politik zu rechtfertigen wäre, wie wir mit Hobbes gern glauben wollen, halte ich für eine Selbsttäuschung. Wenn wir uns darüber klar werden, hat das wahrscheinlich heilsame Folgen in der Politik. Wenn wir nur erkennen wollten, wie sehr unsere vorgeblich rationalen politischen Argumente und Schlussfolgerungen auch von manipulativen Techniken, also rhetorisch, bestimmt werden, würden wir uns damit selbst eine dringend notwendige Lektion in größerer moralischer und politischer Toleranz geben. 6

    JENS Um aus den Wolken der Philosophie wieder auf den Boden ökonomisch wirksamer Tatsachen zu kommen, gebe ich dem amerikanischen Internetforscher Jakob Nielsen das Wort, der seit Jahrzehnten die Benutzerfreundlichkeit (»Usability«) von Websites erforscht.
    NIELSEN Die Ergebnisse qualitativer Benutzertests, mit denen man feststellen kann, wie benutzerfreundlich eine Website ist, werden leider von vielen Managern nicht akzeptiert, solange man sie nicht in Zahlenwerten ausdrückt. Usability-Experten
wissen aus jahrelanger Erfahrung, dass ein solcher Test mit fünf repräsentativen Teilnehmern genügt, um die wichtigsten Schwachstellen einer Benutzeroberfläche aufzudecken. Es kommt allerdings darauf an, dass die Teilnehmer wirkliche potenzielle Benutzer der Website sind, also zum Beispiel Kunden eines Online-Shops (und keine Webdesigner); dass man ihnen realistische, aus dem Computeralltag gegriffene Aufgaben gibt, sie beim Lösen dieser Aufgaben nicht beeinflusst und sie nur dazu bringt, laut zu denken, während sie sich durch die Webseiten und Menüs hindurchkämpfen . 7
    SUSANNE In Deutschland ist es wahrscheinlich noch schlimmer. Was nicht auf Zahlen beruht, was in Excel keine Balken- oder Kuchendiagramme erzeugt, gilt bei vielen deutschen Ingenieuren, Managern und Politikern von vornherein als subjektives, esoterisches, also irrelevantes Gelaber. Deshalb bevorzugen sie zum Beispiel Online-Umfragen und teure Befragungen von Fokusgruppen über ihre Website, obwohl man empirisch ermittelt hat, dass solche nachträglich vorgenommenen Umfragen in der Regel keine verwertbaren Hinweise auf konkrete Benutzerprobleme einbringen. 8

    JENS Zahlreiche Aussagen, die wir im Alltag treffen, sind eindeutig und überprüfbar, obwohl sie keine Zahlen enthalten: Paris ist die Hauptstadt von Frankreich. Angela Merkel ist Bundeskanzlerin. Eine Amsel singt auf dem Dachfirst. Diese Suppe schmeckt salzig. Du siehst traurig aus. Über den Witz haben wir Tränen gelacht. – Solche Aussagen über einzelne Personen, Orte, Arten, Ereignisse und so weiter sind oft überhaupt nicht quantitativ fassbar, können aber höchst relevant sein. Wenn Kepler mit seinen »Quanta« immer noch recht hätte – hieße das nicht, dass solche Feststellungen keinen wissenschaftlichen Wert haben, weil sie in keiner Weise verallgemeinert
werden können? Es antworten aus dem Jenseits: der Biologe Ernst Mayr und der Philosoph Karl Popper.
    MAYR Die Wissenschaftsphilosophie ignoriert leider immer noch weitgehend die Biologie, da sie von der in Physik und Chemie vorherrschenden Idee der Naturgesetze bestimmt ist. Das Naturbild vieler Philosophen beruht irrigerweise auf der Annahme vorhersagbarer Gesetzmäßigkeiten. Belebte Systeme aber weisen nach dem Prinzip der Emergenz Eigenschaften auf, die über die Eigenschaften ihrer physikalischen und chemischen Komponenten hinausgehen. Sie müssen auf jeder Ebene ihrer Organisation neu untersucht und verstanden werden.
    Die darwinsche Revolution war die umwälzendste aller intellektuellen Revolutionen in der Geschichte der Menschheit. Denn die durch Zufall und Selektion entstandenen Formen des Lebens sind nicht durch Gesetze zu erklären. Ein historischer Prozess hat lauter Spezialfälle hervorgebracht. Deshalb herrschen in der Biologie keine Gesetze, sondern allenfalls Konzepte oder Ideen. Für die Biologie sind Konzepte wie etwa Konkurrenz, gemeinsame Abstammung, Territorialität oder Altruismus ebenso wichtig wie Gesetze für die Physik. Die Rekonstruktion historischer Prozesse erfordert langfristige Beobachtung und entzieht sich vielfach dem Experiment. 9
    POPPER Das ist sehr interessant, Kollege Mayr, was Sie da über die irrige Annahme von Gesetzmäßigkeiten sagen! Auch in meinen Werken

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