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Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition)

Titel: Lügen mit Zahlen: Wie wir mit Statistiken manipuliert werden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gerd Bosbach , Jens Jürgen Korff
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brauchen also 8 Buchstaben plus 8 Ziffern, um eine von rund 1000 deutschen Banken zu identifizieren (wofür eigentlich 4 Ziffern oder 3 Buchstaben völlig ausreichen würden).
    Lassen wir zum Schluss noch zwei Zahlenfetischisten zu Wort kommen, bei denen uns richtig schlecht werden kann. Der niedersächsische Masthähnchen-Unternehmer Franz-Josef Rothkötter begrüßt Besucher zu einer Betriebsführung …
    ROTHKÖTTER Ich darf Ihnen zunächst den Betriebsablauf von der rechnerischen Seite beschreiben: Bei zwei Schlachtlinien mit einer Kapazität von je 3,33 Hähnchen pro Sekunde macht das 23 976 Stück pro Stunde, 384 000 Stück am Tag oder genau 119,808 Millionen Stück im Jahr. In Kilogramm umgerechnet
ist das ein Viertel der deutschen Hähnchenproduktion, 200 000 Tonnen Fleisch pro Jahr – und das alles aus diesem einen Betrieb hier in Haren an der Ems. Aber Größe allein ist kein Wert an sich. Es geht mir vielmehr um ein gutes Endprodukt und um Effizienz. 12

    JENS Der eine sieht Tiere nur als Millionen Stück und Tonnen Fleisch pro Jahr, ein anderer sieht aus der Türkei zugewanderte Arbeiter, Einzelhändler und deren Familien nur als volkswirtschaftliche Nutzen- und Belastungsfaktoren. Dabei ignoriert er nicht nur den sozialen Nutzen eines Gemüseladens für die Lebensqualität im Viertel, sondern auch die Menschenrechte, die …
    SARRAZIN Lassen Sie mich bitte ausreden! Menschenrechte, so etwas ist doch ökonomisch-statistisch gar nicht fassbar. In solchen grundsätzlichen politischen Fragen ist nichts alberner als der Hinweis, dieses oder jenes sei rechtlich nicht möglich. Wir müssen doch wegkommen von dieser Sozialromantik und die harten Fakten sehen: Welchen Nutzen haben diese Gruppen für Deutschland? Wenn ich Statistiken lese, dann sehe ich keine Menschen. Lassen Sie mich das bitte in einem größeren Zusammenhang darstellen … 13
    JENS Nein danke! Zum Glück können wir den Schreihals hier einfach ausblenden. Was sagt die Psychologin dazu?
    SUSANNE Zahlen sind ein vortreffliches Instrument, um sich existenzielle Fragen wie »Was tust du hier eigentlich?« oder »Was bedeutet das für meine Mitmenschen?« vom Leib zu halten.
    JENS Im Kontrast dazu steht der deutsch-mexikanische Schriftsteller B. Traven. Der beschrieb 1927 in seinem Roman Der Schatz der Sierra Madre eine Begegnung in der Wildnis. Eine Gruppe Indianer besuchte drei weiße Goldgräber, die ihr Gebiet durchreisten. 14
    TRAVEN »Sie kommen gewiss von weit her«, sagte endlich einer der Indianer, »und Sie wollen gewiss noch weit reisen? Sie sind wohl sicher sehr kluge Männer?«
    Curtin sagte: »Wir können Bücher lesen, und wir können Briefe schreiben, und wir können mit Zahlen rechnen.«
    »Mit Zahlen?«, fragte einer. »Zahlen? Das kennen wir nicht.«
    »Zehn ist eine Zahl«, erklärte Curtin, »und Fünf ist eine Zahl.«
    »Oh«, meinte nun einer der Besucher, »das ist nur halb. Zehn ist nichts, und fünf ist nichts. Sie meinen zehn Finger oder fünf Bohnen oder drei Hühner, nicht wahr?«
    »So ist es«, mischte sich Howard ein.
    Die Indianer lachten, weil sie es verstanden hatten, und einer sagte: »Zehn kann man nicht sagen. Man muss immer sagen, was zehn? Zehn Vögel oder zehn Bäume oder zehn Männer. Wenn man zehn oder drei oder fünf sagt, ohne dass man auch sagt, was man meint, so ist das ein Loch, und das ist leer.«
    Dann lachten sie wieder.

    GERD Das war ja ein bunter Chor von Stimmen – fast wie in meiner Stammkneipe. Und nu? Was fangen wir jetzt mit alledem an?
    JENS Ich schlage vor, wir probieren es einfach mal aus.
    GERD Was?
    JENS Wie das ist, mit ungenauen Zahlen und unscharfen Bildern in eine ungewisse Zukunft hineinzuleben. Vielleicht ist es ja gar nicht so schlimm?
    GERD Gut, das machen wir!
    1
    Eine davon wurde am 18.7.2009 auf einem Infoscreen in der Bielefelder Stadtbahn angezeigt, die andere ist frei erfunden.
    2
    Beide zitiert nach Egon Friedell: Kulturgeschichte der Neuzeit . München 1927, S. 394. Leonardo äußerte sich um 1500, Kepler um 1615.
    3
    Dietrich Schwanitz: Bildung. Alles, was man wissen muss . München 2002, S. 617f. – Schwanitz vertritt in seinem Buch keinen philosophischen Anspruch. Sein Maßstab dafür, was man angeblich wissen müsse, ist das unverbindlich-»gebildete« Gespräch unter »kultivierten« Westeuropäern.
    4
    Den Begriff prägte Charles Percy Snow 1959.
    5
    Thomas Hobbes (1588—1679), britischer Mathematiker, Philosoph und Politologe. Skinner spielt auf sein Werk

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