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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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die Höhle. Er stöhnt laut auf.
    »Verdammt, Mila hat die Seile rausgenommen.«
    Ich verstehe ihn fast nicht, denn jetzt ist auch noch starker Wind aufgekommen und erste Regentropfen knallen auf die Erde.
    »Was soll das heißen?«
    »Um in die Höhle reinzukommen, hast du dich doch letztes Mal abgeseilt – ja und wie bist du wieder rausgekommen?«, fragt er und schaut mich an wie ein total genervter Lehrer.
    »Keine Ahnung!«
    »Oh ja, stimmt, entschuldige, du warst ja ohnmächtig. Also, um wieder rauszukommen, brauchst du die Seile. SRT nennen wir das.«
    »SRT?«
    »Single-Rope-Technik, mit der schaffst du es, dich mit nur einem Seil ab- und wieder hochzuseilen.« Er zeigt mir den Sitzgurt mit der zentralen Aufhängung am Bauch und über der Brust und erklärt, wie die beiden Seilklemmen funktionieren. Aber alles, was ich mir wirklich merke ist, dass ich quasi wie eine Raupe am Seil nach oben aufsteigen muss, indem ich die obere Seilklemme, an der die Trittschlingen befestigt sind, hochschiebe, damit meine Beine in eine Hockstellung kommen und ich dann aufstehen muss, die Seilklemme wieder hochschieben, dann hocken und wieder aufstehen und immer so weiter. Aber ich kann mir nicht vorstellen, dass ich das wirklich schaffe, es ist so unwirklich, als würde mir jemand erklären, wie man ein Flugzeug fliegt und dann ernsthaft erwarten, dass ich einen Jumbo problemlos im Dschungel lande.
    Starker Wind ist aufgekommen und verbiegt die Bäume, Tom muss laut schreien, damit ich ihn verstehe.
    »Ich weiß nicht genau, wie es da drinnen aussieht«, brüllt er, »manchmal schafft man das auch ohne Seil, aber ich fürchte, es ist zu feucht.« Tom packt mich bei den Schultern und schaut mir in die Augen. »Du musst da jetzt runter, Ally, mit allen Seilen, aber ich bin sicher, du schaffst das!« Dann lässt er mich wieder los und brüllt: »Los, du musst dich anschlazen, und zwar zackig.«
    Bevor ich auch nur ein Wort des Protestes sagen kann, fängt es an, wolkenbruchartig zu schütten. Tom flucht, rafft die Kleider von Landgraf und Jury zusammen und stopft sie in eine Plastiktüte, die er aus dem Schleifsack zieht.
    Dann suchen wir uns einen Baum, unter dem wir etwas geschützter sind, aber es tratscht so dermaßen, dass ich jetzt schon pitschnass bin. Tom öffnet seinen Schleifsack und kippt einen gelb-weiß gestreiften Schlaz, Handschuhe, Gurte, Karabiner und einen Helm auf den Boden.
    Die Handschuhe werden sofort vom stürmischen Wind weggeweht. Ich renne ihnen hinterher, werde dabei bis auf die Haut nass und frage mich, wie verrückt ich eigentlich bin. Habe ich im Ernst gedacht, es würde reichen, mal ein freundliches »Hallöchen« in die Höhle zu rufen, und damit wäre alles erledigt?
    Als ich endlich mit den Handschuhen zurück bei Tom bin, liegt er im strömenden Regen am Höhlenrand und starrt in die Höhle hinein.
    »Verdammt, verdammt, verdammt! Siehst du das?«
    Als ich zögere, zerrt er an meinem Ärmel und zwingt mich, sich neben ihn zu legen und mit ihm nach unten zu starren. Ich sehe nichts anderes als diese weich glänzenden Wucherungen, nur sieht es so aus, als wären sie viel weiter oben als beim letzten Mal. Als ich das Tom sage, schüttelt er den Kopf.
    »Das ist Wasser! So ein verdammter Mist, dass ich verletzt bin. Du musst sofort da runter, Ally. Das Wasser steigt schnell, es könnte sein, dass ihnen der Rückweg abgeschnitten ist. Du musst jetzt runter mit allen Seilen, die wir haben, und sie suchen. Los, los mach schon!«
    Mein Hals fühlt sich an, als würden ihn eiserne Ringe zusammenquetschen. »Und wenn ich wieder ohnmächtig werde?«
    »Das wirst du nicht, denk an den Säbelzahntiger! Hier stehen Menschenleben auf dem Spiel. Ich weiß nicht, was Mila noch getan hat, aber ich könnte mir vorstellen, dass sie nicht nur die Seile weggenommen, sondern auch die Ausrüstung manipuliert hat.«
    »Kannst du nicht die Höhlenrettung anrufen, jetzt wo du die Geodaten hast?«
    »Klar, Ally, das werde ich machen, sobald du unten bist. Aber du musst jetzt sofort da runter, siehst du denn nicht, wie das Wasser steigt? Versuche, immer tief und langsam zu atmen. Wenn du merkst, dass du anfängst zu hyperventilieren, dann halte die Hand so dicht vor den Mund, dass du die ausgeatmete Luft wieder einatmest.« Er ist mühsam wieder aufgestanden, zieht mich mit dem gesunden Arm auch hoch und reicht mir den Schlaz. Dieses Mal habe ich lange Hosen an und ziehe ohne Meckern Toms Fleecepullover über mein

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