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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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der sich, was klettern angeht, mächtig überschätzt.
    So, weg mit der Verbindung zur Welt! Es ist so befreiend, das Seil aus dem Karabiner zu lösen und es zusammenzurollen. Mit jedem Stück fühle ich mich auch Carolina näher. Du bist gerächt, endlich! Endlich kannst auch du deinen Frieden finden, denke ich zufrieden und packe das Seil vom Briefkasten in meinen Schleifsack, ehe ich zurück zum Eingang gehe. Dort löse ich das nächste Seil. Meine Brust wird so eng und dann so weit, ich möchte gern Hallelujah singen. So grandios habe ich mich nicht mehr gefühlt seit … Ach, ich weiß es nicht. Das hätte ich schon viel früher tun sollen, statt mich mit komplizierten Racheplänen und solchen Weicheiern wie Tom oder Ally rumzuplagen.
    Ich fange jetzt doch leise zu singen an, was ich schon sehr lange nicht mehr getan habe. Um genau zu sein, seit Carolinas Beerdigung nicht mehr. Da habe ich mir geschworen, dass ich dafür sorgen werde, dass er bezahlt. Endlich bezahlt.
    Ich klettere mühsam wieder hinauf und löse mein Seil dann auch aus dem Haken.
    Draußen kriege ich zuerst fast keine Luft. Die Hitze legt sich wie nasse heiße Handtücher auf meine Lungen und mir bricht sofort der Schweiß aus. Dabei scheint die Sonne nicht mal, im Gegenteil, der Himmel ist voll dunkelschwarzer Wolken.
    Und jetzt nichts wie weg, auf nach Hause.
    Ich werde diesen Widerling nie wieder sehen.
    Bye-bye Landgraf, Tschüss Papa.

32. Ally
    Nach gefühlten hunderttausend Jahren sind wir endlich da und stellen unser Auto neben Jurys TT. Wie es aussieht, sind Landgraf und er mit nur einem Auto gefahren.
    Tom starrt finster durch die Windschutzscheibe in den immer dunkler werdenden Himmel. »Wir müssen uns beeilen, das sieht verdammt nach Regen aus.«
    »Der ist nach der ganzen Hitze auch überfällig, sie haben ab Mittag sturzflutartige Niederschläge vorhergesagt. Aber wir sind doch nicht hier, um übers Wetter zu plaudern, oder?« Ich steige aus, schaue auf den Wald und versuche, mich zu erinnern, habe aber nicht den leisesten Schimmer, an welcher Stelle wir damals losgegangen sind. Ich war so in Panik.
    »Du hast wirklich keine Ahnung von Höhlen«, sagt Tom zu mir, während er sich aus dem Auto quält. »Es gibt welche, die füllen sich in null Komma nix mit Wasser und dann Gute Nacht, Marie!« Tom deutet mit der Handkante einen Schnitt durch die Kehle an, dann humpelt er zum Kofferraum und holt ächzend die Ausrüstung heraus. »Hilf mir mal, pack mit an!«, kommandiert er.
    »Wie meinst du das, ›Gute Nacht, Marie‹?«
    »Das Wasser kann zum Beispiel Wege abschneiden.«
    Ich schaue zum Himmel und dann wird mir noch mulmiger. Es dauert alles so lange, am liebsten würde ich einfach in den Wald rennen, aber damit wäre auch keinem geholfen.
    »Wirst du das überhaupt schaffen, mit diesem Gipsfuß und der Schiene?«
    »Das wird sicher kein Spaziergang, aber ich muss dich bis zur Höhle begleiten – oder kennst du dich mit GPS aus?«
    »Wofür brauchen wir denn GPS?«
    »Für die Höhlenrettung. Die brauchen genaue Daten, sonst finden die uns niemals. Wir wissen nicht, was Mila vorhat, aber du brauchst nur meine Verletzungen anzuschauen, dann weißt du, wie ernst es ihr ist. Und wenn es jetzt noch regnet, dann wird es wirklich eng. Also beeil dich.«
    Ich bin beladen wie ein Esel und Tom hat sich trotz seiner Verletzungen auch einen vollen Schleifsack umgehängt.
    »Müssen wir all diese Seile mitnehmen?«
    »Ja. Erinnerst du dich an etwas?« Er schaut sich suchend um. »Ich bin damals Mila hinterhergeschlichen und habe mich leider nur auf sie konzentriert.«
    »Aber ich dachte, du bist ein Cave-doctor?«
    Er lacht bitter auf. »Ja, das bin ich und nur deshalb bin ich trainiert genug, mir diese Strapaze anzutun. Aber auch Cave-doctors sind keine Zauberer.«
    Ich starre den Wald an, die Buchen, die Holunderbüsche. Böser Wald, denke ich, nein, Unsinn, Wald ist nicht böse. Aber dann fällt mir doch etwas ein, nämlich dass ich an den bösen Wolf gedacht habe … »Ja, ich hab’s, da muss irgendwo ein Stein sein, der wie die Haube von Rotkäppchen aussieht.«
    Nachdem ich Tom erklärt habe, was ich damit meine, trennen wir uns und jeder sucht in einer anderen Richtung.
    Schon nach einer Minute ruft mich Tom. »Ist es das?« Er zeigt auf den rötlichen Stein zu seinen Füßen.
    »Ja!« Wir seufzen beide erleichtert und gehen an dieser Stelle in den Wald.
    »Hier sind frisch abgebrochene Äste«, stellt Tom fest, »und hier ist das

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