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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Behandlungs-Blabla und er würde da ganz tolle Therapeuten kennen und könnte sicher auch etwas arrangieren, damit sie Kassenpatienten behandeln.
    Was für ein unerträglicher Klugscheißer! Ally sollte mir dankbar sein.
    Das alles hat mich derart wütend gemacht, dass ich wieder zu mir gekommen und nach Hause gefahren bin, wo Mama mal wieder heulend auf dem Sofa lag und sich alte Videos reingezogen hat aus der glücklichen Zeit, wo sie ihn kennengelernt hat und ich noch nicht geboren war.
    Am liebsten hätte ich sie in den Arm genommen und ihr gesagt: Mama, in sehr naher Zukunft wird deine beste Zeit überhaupt anbrechen. Nämlich die ohne ihn. Aber das wäre mehr als dämlich von mir. Denn wenn sie jemals herausfindet, dass ich etwas damit zu tun habe, wird sie mich in ein Heim stecken oder ins Gefängnis werfen lassen. Was ja der pure Hohn wäre, denn da gehört er hin.
    Ihr Anblick, wie sie da so auf der Couch lag, hat in mir Zorn und ein ganz intensives Kribbeln aufsteigen lassen und mir endlich das Gefühl zurückgegeben, da zu sein, zu leben, auch wenn sie mich gar nicht sieht. Und das unglaublich Wundervolle war, ich musste mich nicht beherrschen, musste mich nicht ritzen, nein, ich war voller Kraft und konnte auf heute warten. Habe mir vorgestellt, wie es sein wird, wenn bei den beiden in der Höhle die Lichter ausgehen und ihnen schließlich kälter und kälter wird und sie den Rückweg im Dunkeln nicht finden. Konnte alles kanalisieren in diesen einen Gedanken: Sie werden nicht zurückkommen.
    Ich parke den Lieferwagen weit genug entfernt und so, dass man ihn von der Straße aus nicht sehen kann, dann steige ich aus. Nach der Klimaanlage im Auto erschlägt mich die Hitze fast. Kein Windhauch, nur stehende, heiße Luft, die mich erdrückt wie ein viel zu schwerer Mantel.
    Wie gut, dass ich so oft mit ihm hier war und das Terrain in- und auswendig kenne. Ich bin sicher, selbst wenn Ally es durch ein Wunder hierher schaffen würde, um Jury zu retten, sie würde den Höhleneingang niemals wiederfinden. Und Tom kann mir auch nicht mehr nachspionieren mit seinem Gips.
    Landgraf wird sicher bis zu dem unterirdischen See klettern wollen, um Jury zu imponieren. Dieser See ist türkisgrün wie das Meer in der Karibik und hat einen Sandstrand. Da werden Jury die Augen rausfallen – wenn ihnen bis dahin die Lichter noch nicht ausgegangen sind. Sie werden dort sicher rasten und spätestens dann geben die Batterien ihren Geist auf. Und das bedeutet, sie kommen nicht über den See und müssen denselben Weg zurück. Und selbst wenn sie über den See kommen, dann werden sie den wahnsinnigen Grat über den Höllencanyon ohne Lampen niemals bewältigen können.
    Sogar ich habe es mit Licht kaum geschafft, da drüber zu klettern. Allerdings war es das wert, denn dahinter war eine große Grotte mit weißen und rosafarbigen Perlsintern und von dort war es nicht mehr weit zum unteren Höhlenausgang.
    Es ist sogar hier im Wald so schwül, dass mir das Wasser überall runterläuft, als wäre ich in der Sauna. Und es kommt mir so vor, als würden auch die Blätter alle schlapp an den Bäumen hängen. Dabei scheint die Sonne heute gar nicht. Der Himmel ist grau.
    Jetzt müsste ich gleich in der Nähe vom Hochsitz sein. Ich gehe langsamer und konzentriere mich darauf, keinen Lärm zu machen. Schon von Weitem sehe ich die Klamotten, die neben dem Höhleneingang liegen, durch die Bäume leuchten.
    Ich schleiche mich zum Eingang und lausche in die Höhle – nichts. Dann leuchte ich mit der Taschenlampe hinein, kann aber niemanden sehen. Sie sind also weg. Sehr gut. Vorsichtig ziehe ich an dem Seil im Haken. Verdammt, er hat es unten festgemacht! Ich hatte gehofft, dass er vor Jury den starken Helden spielen wird und so lächerliche Vorsichtsmaßnahmen außer Acht lässt. Aber ich habe mich getäuscht.
    Zum Glück habe ich an alles gedacht und einen Teil meiner Ausrüstung dabei, den anderen habe ich Jury geliehen. Dann werde ich mich eben abseilen, die Knoten lösen und das Seil mitnehmen. Hier geht es zehn Meter weit runter. Und wenn ich schon mal unten bin, dann kann ich auch gleich noch das Seil vom Briefkasten rausziehen. Sicher ist sicher.
    Mit Genugtuung stelle ich fest, wie feucht und kalt es hier unten trotz der Hitze der letzten Tage ist. Wunderbar, man müsste ein Zauberer sein, um diese Wände ohne Seil wieder hochzukommen, das würde nicht mal Tom schaffen und der klettert alles. Und Jury halte ich eh für einen Angeber,

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