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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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Lampen auf dem Ersatzhelm sind nicht wirklich wasserdicht – und ich muss durch den See. Egal, ich fahre jetzt zum unteren Ausgang.
    So, hinter diesem Kaff muss ich abbiegen und hoch Richtung Wald fahren. Als wir die Höhle das erste Mal zusammen geklettert sind, haben wir den Käfer am oberen Eingang geparkt und unten den Lieferwagen. Ich erinnere mich, am Ende des Ortes war eine Gärtnerei und dann kam eine Schreinerei, hinter der sind wir dann auf den Forstweg Richtung Höhle.
    Da kommt er.
    Hier fressen sich die Räder noch langsamer durch den Schlamm, krachen in Schlaglöcher, reißen mich aus dem Sitz. Ich mache den Gurt enger. Muss noch mehr bremsen und versuche, mir in Gedanken den Weg durch die Höhle vorzustellen.
    Bisher bin ich immer von oben gekommen und es ist unglaublich, wie anders alles aussieht, wenn man die Seiten wechselt. Zuerst muss ich durch den steilen Schluf, der wird auch voller Wasser sein. Aber er hat im Boden einen scharfkantigen Minicanyon, der wie eine natürliche Regenrinne wirkt, deshalb wird das Wasser gut abfließen – hoffe ich. Aber ich muss mir irgendwas um den Hintern binden. Danach kommt die Höhle mit den Perlsintern, aber die hat viele tote Abgänge, das wird schwierig, denn ich kann es mir nicht leisten, in so einem zu landen.
    Nach einer Ewigkeit erkenne ich durch den Regen undeutlich das Naturschutzgebiet-Schild, ja, hier haben wir damals geparkt. Am liebsten würde ich sofort losrennen, aber ich zwinge mich, an alles zu denken und die Panik zu unterdrücken. In Gedanken gehe ich die Liste durch: Ich habe einen Schleifsack mit den Seilen und meinen Gurt. Den Ersatzhelm. Die Ersatzbatterien. Aber wie kann ich meinen Hintern vor den Spitzen im Schluf schützen? Ich durchsuche hektisch das Auto, finde aber nur ein altes Handtuch, mit dem Mama sich die Hände abtrocknet, wenn sie Schnittblumen in Kübeln ausliefern muss. Egal, das stopfe ich mir hinten in die Jeans, alles besser als nichts.
    Und jetzt erst erlaube ich mir einen Gedanken an Jury und Landgraf. Mittlerweile ist ihnen das Licht sicher ausgegangen und es ist verdammt dunkel in einer Höhle ohne Licht. Es ist ein Märchen, dass man sich daran gewöhnt, man sieht einfach nichts. Null. Es ist stockfinster, nicht mal die Hand vor den Augen kann man erkennen.
    Ally würde verrückt werden da drin. Und ich muss verrückt gewesen sein. Vollkommen verrückt, ihren Bruder töten zu wollen.
    Ich checke noch mal alles durch, dann verlasse ich das Auto und renne, so schnell ich kann, in die Richtung, wo der Eingang versteckt liegt. Er ist bei den drei bösen Schwestern, so haben wir die verkrüppelten Latschenkiefern in der Nähe des Eingangs getauft. Aber der Regen verändert alles, die Bäume biegen sich im Wind und sehen alle wie böse Schwestern aus. Ich bin bis auf die Haut nass, als ich endlich den Eingang entdecke. Das Handtuch in meiner Jeans saugt sich voll mit Wasser und wird tonnenschwer. Egal, es bleibt drin.
    Ich knie mich auf den Boden, Wasser strömt aus dem Eingang, und nachdem ich das Licht angeschaltet habe, sehe ich, dass der Minicanyon zwar randvoll ist, aber noch nicht überläuft.
    Mein Blick fällt auf die Engstelle. Was für ein Schwachsinn, das Handtuch in den Hintern zu stopfen, ich muss ja den steilen Schluf hochrobben, da brauche ich das Handtuch vorne, damit die Felsspitzen mir nicht den Bauch und die Brust aufschneiden. Ha, du liebst es doch, aufgeschnitten zu werden, sagt eine böse Stimme in meinem Kopf, während ich hektisch das nasse Handtuch unter mein Shirt stopfe.
    Dann lege ich mich der Länge nach hin und krieche auf den Ellenbogen in den Gang hinein. Während ich durch den Schlamm robbe, muss ich wieder an Ally denken. Das hier würde sie umbringen, der Dreck und die Enge; es ist so eng, dass ich stecken bliebe, wenn ich tief atmen würde. Au, verdammt, ich muss den Kopf dichter überm Boden halten, sonst ramme ich mir die spitzen Deckensteine noch durch den Helm bis in den Hinterkopf.
    Ally …
    Ich habe Ally auch nur benutzt, wie kann ich da allen Ernstes behaupten, sie hätte mich verraten? Ein Schwall Übelkeit steigt in mir hoch, ätzend wie Säure.
    Los, Mila, beeil dich.
    Ich kenne Landgraf, wenn dem das Licht ausgeht, wird er so wütend, dass er irgendeinen wahnwitzigen Scheiß macht, weil er es nicht erträgt, nicht Herr der Lage zu sein.
    Ich spüre einen Luftzug, da vorne endet der Schluf.

36. Ally
    Unglaublich, was da vor mir liegt, nachdem ich mich wieder aufgerappelt

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