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Luegenherz

Luegenherz

Titel: Luegenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beatrix Gurian
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ist zu hören.
    Mein Herz pumpt Blut im Rhythmus von Maschinengewehren, gleich werden meine Adern platzen, gleich wird mein Kopf explodieren. Atmen, atmen, Säbelzahntigertigertiger. Alles dreht sich.
    Beruhigen, beruhigen. Ich bin auch zuerst vom Dreimeterbrett gesprungen, vor Jury, das habe ich total vergessen. Da war ich mutiger als er, hab ihn dann an der Hand genommen und zusammen mit mir hat er sich schließlich getraut.
    Ich stecke an der Schulter fest. Total fest. Atmen. Ich versuche, den Blick auf etwas zu richten, da ist eine kleine Rosette in der Wand. Rosen, so was in Silber machen. Rosette, das buchstabiere ich, R-O-S-E-T-T-E, um mich abzuregen, und tatsächlich wird mein Blick klarer, der Schwindel wird weniger, aber das Hämmern bleibt.
    Also, wie komme ich jetzt weiter? Wie kann ich die Schulter schmaler machen? Ich strecke den Arm nach oben und lasse mich mit nach links gedrehtem Kopf und hochgerecktem Arm weiter ab.
    Verdammt, da ist Wasser. Wasser und noch mehr Wasser. Es reicht mir schon bis zum Bauch und je weiter ich runterkomme, desto höher steigt es. Aber wenn dort unten eine große Höhle ist, wäre das doch völlig unlogisch – es sei denn, dort ist auch schon alles voller Wasser. Und dann ertrinke ich. Und was ist mit Jury? Mir wird schwarz vor Augen.
    Nein, du wirst jetzt nicht ohnmächtig.
    Ich muss in beide Hände atmen, um klar zu werden. Ich werde die Luft anhalten und nach unten tauchen.
    Verdammt, ist mein Licht überhaupt wasserdicht? Was, wenn es für immer ausgeht und ich hier drin bis ans Ende meiner Tage feststecke?
    Völliger Unsinn, Ally, versuche ich, mich zu beruhigen. Tom hat bestimmt das beste Licht der Welt und außerdem kommt ja bald die Bergrettung. Also, los jetzt.
    Ich halte die Luft an und gehe unter Wasser, uahh, ist das kalt. Abartig kalt! Dieser elende Briefkasten hört dort unten auf, aber ich sehe nicht, wo es weitergeht. Der Landgraf ist ein sadistisches Schwein, dass er Menschen hierher geschleppt hat. Ich ziehe an der oberen Seilklemme und stemme mich prustend wieder hoch, das Licht flackert. Nein, bitte nicht ausgehen, nicht jetzt. Ich muss den Mund weit aufmachen, um überhaupt noch Luft in meinen Körper zu kriegen, atme stoßweise. Versuche, einen Punkt zu fixieren, aber alles dreht sich schneller und schneller. – Was ist denn das? Dort oben rechts geht es in einen anderen Gang, das konnte ich vorhin nicht sehen, weil ich den Kopf nach links gedreht hatte.
    Ich arbeite mich quälend langsam hoch, hake mich aus, lasse das Seil hängen, robbe in den Gang, fühle mich zerbrechlich wie ein Pringle in einer zu engen Rolle, muss auf den Ellenbogen weiterrobben, den Schleifsack ziehe ich hinter mir her, nichts denken, nur robben, kriechen und auf einmal merke ich, dass trotz der ständigen Bewegung mein Herz langsamer schlägt. Ich halte inne und schaffe es, die modrige Luft langsamer ein- und auszuatmen. Tatsächlich, das Hämmern in meiner Brust ist schwächer geworden, dafür bin ich wie beflügelt von dem Adrenalin, das durch meine Adern rast, es kann nicht mehr weit sein.
    »Jury«, rufe ich, aber meine Stimme bleibt irgendwie in dieser schlammigen Röhre stecken, ich muss sie so schnell wie möglich hinter mich bringen und robbe weiter durch den zähen Schlamm, schiebe mich vorwärts, trotze der Höhle Zentimeter für Zentimeter ab und jede winzige Bewegung hört sich so schmatzend und katschend an, als wäre ich ein Stück Brot, das versucht, in einem Käsefondue zu überleben.

35. Mila
    Ich bin umgedreht und dieser Scheißhimmel tut trotzdem alles, damit ich es nicht schaffe. Es ist, als ob ich in einer Nussschale einen wilden Wasserfall durchfahren müsste. Lächerlich langsam, Schritttempo.
    Dafür rasen die Gedanken durch mein Hirn wie Blitze. Die zwei finden ohne Licht niemals zurück. Im Briefkasten steigt das Wasser und läuft in den oben darüberliegenden Gang. Durch den müssten sie robben, um zum Ausstieg zu kommen. Und selbst wenn sie es bis zum Ausstieg schaffen und ich dort die Seile wieder anbinde, kann es sein, dass das Wasser zu hoch ist. So lange kann kein Mensch die Luft anhalten.
    Jetzt trete ich das Gas doch durch. Die Karre schleudert sofort und schlingert quer über die Straße. Idiotin! Verdammt, langsamer! Beherrschung! Geduld!
    Nein, die einzige Chance, sie heil rauszukriegen, ist, wenn ich von der anderen Seite aus in die Höhle gehe. Aber ich habe keinen Schlaz, nur wasserfeste Wanderschuhe und eine lange Hose und die

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