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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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stelle sie neben seine. Lächelnd blicke ich zu ihm hoch. Ich mochte Tayshawn schon immer. Er ist der Einzige aus der Schule, der immer schon nett zu mir war.
    Tayshawn streckt mir die Hand entgegen, um mir aufzuhelfen. Ich ergreife sie und ein intensives Gefühl des Begehrens durchfährt mich.
    Ich küsse ihn flüchtig auf die Lippen. Dann beuge ich mich weiter zu ihn und stelle mich auf die Zehenspitzen, damit unsere Lippen auf einer Höhe bleiben. Mein Mund öffnet sich ein wenig, ebenso wie seiner. Wir küssen uns richtig.
    Das Gefühl ist sehr stark. Ich packe ihn und halte mich an seinem Bizeps fest, um nicht umzufallen.
    Er zieht sich zurück, aber ich will nicht aufhören. Er schubst mich fort. Mein Verlangen ist noch immer so heftig,
dass meine Beine zittern. Ich muss jeden Muskel anspannen, um zu verhindern, dass ich mich wieder auf ihn stürze.
    »Sorry«, murmele ich.
    Wir sind hier bei Sarah, um gemeinsam zu lernen. Ich weiß nicht, ob ich das kann. Ich dachte, Tayshawn würde dasselbe empfinden. Er zittert nicht.
    » Wow, Mädel«, sagt er und streckt mir die Handflächen entgegen. »Immer langsam.«
    Ich wende den Blick ab. Auf meiner Oberlippe stehen Schweißtropfen. Ich weiß nicht, was ich sagen soll. Zach hätte reagiert. Zach wäre gemeinsam mit mir explodiert.
    »Hier lang«, sagt Tayshawn und öffnet die Tür, wobei er sorgsam darauf achtet, dass er mich nicht berührt.
    Es ist die größte Wohnung, die ich je gesehen habe. Wir stehen in einem Wohnzimmer, das so groß ist wie das gesamte Stockwerk in unserem Wohnhaus. Alles ist sauber und neu. Die Sofas sind aus echtem Leder. Ein Fernseher nimmt eine ganze Wand ein.
    Ich gehe auf die Fensterfront zu und schaue auf den Platz unten. Astor Place. Dahinter kann ich das Chrysler Building und das Empire State Building sehen. Zu meiner Rechten reicht der Blick bis ganz nach Brooklyn.
    Tayshawn boxt mich scherzhaft, und schon diese leichte Berührung seiner Fingerknöchel an meiner Schulter reicht aus … ich huste. Er schaut auf seine Hand, als könnte er nicht glauben, was er getan hat.
    »Was glotzt du denn so?«, sagt er schließlich. »Hast du noch nie eine Wohnung von reichen Leuten gesehen?«

    »Nö«, sage ich. »Ich dachte immer, Zachs Wohnung wäre groß.«
    Tayshawn lacht.
    Er glaubt, ich mache Witze.
    »Wo ist Sarah?«
    »Hier«, sagt sie hinter uns. » Willkommen.«
    Sie klingt wie die Gastgeberin bei einer Party. Oder wenigstens stelle ich mir vor, dass die so klingen würde. Sie sieht auch so aus, selbst barfuß. Ihre hübschen schwarzen Locken fallen ihr über den Rücken.
    Ich wusste schon, dass Sarahs Eltern mehr Kohle haben als meine. Aber wie viel mehr, war mir nicht klar gewesen.
    Ich schaue auf ihren Mund und überlege, ob ich sie küssen soll.
    »Habt ihr eure Schulsachen dabei?«, fragt sie. Ich klopfe auf meinen Rucksack. Wir sind hier, um Bio zu lernen. Das ist das einzige Fach, in dem Sarah nicht spitze ist.
    Sie geht voraus in ihr Zimmer. Der Raum ist riesig und man blickt von hier auf das Woolworth Building. Mit einem Fernglas könnte man vermutlich die Freiheitsstatue sehen. Auf dem Bett liegen ein Teddy und eine Kuschelgiraffe. Im Vergleich zu der Unmenge an Stofftieren, die ich erwartet hatte, ist das gar nicht so schlecht. Das Zimmer ist blau und weiß gestrichen, nicht rosa.
    Die Tür zum Wandschrank steht offen. Es ist eigentlich kein Wandschrank, sondern eher ein richtiges Zimmer. Mit Ausnahme von Kaufhäusern hab ich noch nie so viele Klamotten auf einem Haufen gesehen.
    Sie führt uns in ein weiteres Zimmer auf der anderen Seite des Schrankes. Ihr Arbeitszimmer, vermute ich. Da gibt es einen Schreibtisch, ein Sofa, Stühle, eine Anlage
und viele, viele, viele Bücher. Mir war nicht klar, dass ein einziger Mensch so viele besitzen kann.
    Sarahs Zimmer besteht aus mehreren Räumen. Unsere ganze Wohnung besteht nur aus vier.
    »Ich weiß«, sagt Sarah. »Ist ein bisschen viel, stimmt’s?«
    Sie setzt sich aufs Sofa und schlägt die Beine übereinander. Dabei rutscht ihr Rock ein wenig hoch, sodass ich ihre Knie sehen kann. Sie sind glatt, nicht mattgrau wie meine. Wahrscheinlich badet sie in Milch oder so. Neben ihr fühle ich mich schlaksig, linkisch, hässlich. Aber ich möchte sie immer noch küssen. Ich frage mich, warum die beiden überhaupt jemals das Verlangen hatten, mich zu küssen. Und ob sie es immer noch haben.
    Ich bin ziemlich sicher, dass es nur wegen Zach ist.
    »Wie reich sind deine Eltern

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