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Luegnerin

Luegnerin

Titel: Luegnerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Justine Larbalestier
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total vergessen und es geht die ganze Zeit nur noch um Erin. Neuerdings ist Kayla ihre beste Freundin, und so ist sie immer auf dem Laufenden, was Klatsch und Tratsch über Erin anbetrifft. Sie schüttelt den Kopf und macht missbilligende Geräusche, während sie jedes kleine Häppchen weitertratscht.
    Chantal ist eine Heuchlerin und eine mindestens ebenso große Lügnerin, wie ich es bin.
    Am liebsten würde ich ihr an die Gurgel springen. Wie kann man Zach so einfach vergessen?
    Aber wenigstens gehört er jetzt wieder mehr mir. Mir und Sarah und Tayshawn.
    Aber ich bin es, die ihn rächen muss.

LÜGE NUMMER 5
    Ich habe keinen Bruder. Ich habe Jordan nur erfunden.
    Was dachtet ihr denn? Dass meine Eltern nach mir, dem Wolfsmädchen, noch das Risiko eines zweiten Kindes eingegangen wären? Ein zweites Monster? Zwei Käfige in einer ohnehin überfüllten Wohnung? Selbst wenn das Kind nichts Wölfisches gehabt hätte, wie hätte man es davon abhalten sollen, sich nicht wegen dieses Monsters von Schwester zu verplappern?
    Nicht sehr wahrscheinlich, oder?
    Also, tschüss, Jordan. Erfunden oder nicht, er hat genervt, dieser fiese, eklige, stinkige Bruder mit seinen Drecksfingern und dem üblen Mundwerk.
    Aber ihr wollt wissen, warum, oder?
    Warum habe ich gelogen, dass ich einen Bruder habe?
    Ich wollte einfach mal sehen, ob ich es kann: einen Menschen erfinden. Ihn glaubwürdig schildern. Echt. Ganz. Ich wollte sehen, ob ihr es mir abnehmt. Und das habt ihr.
    Ihr nehmt einem alles ab, oder?
    Ihr macht es einem zu einfach.

VORHER
    Ich habe Zach dann hoch oben in einem Baum im nördlichen Teil des Central Parks gefunden, weitab von allen
Wegen. Der Baum hatte große, dicke Äste und jede Menge Blätter, um sich zu verstecken. Zach hat superstill gehalten. Ich konnte ihn weder hören noch sehen, aber sein Geruch hat ihn verraten. Der war überall.
    Die Äste fingen erst ein ganzes Stück über meinem Kopf an. Zach hatte seine Körpergröße gegen mich eingesetzt. Er ist – er war – fast 1,95 m. Ich nicht. Er konnte hochspringen und kam dadurch an die untersten Äste. Ich nicht.
    Ich streunte um den Baum herum, leise. Dabei spürte ich kein verräterisches Prickeln, dass mich jemand beobachtete. Zach war hoch oben. Vielleicht war er eingeschlafen. Das kam vor. Er trainierte so viel und arbeitete bis spät in die Nacht, um mit den Hausaufgaben fertig zu werden, dass er oft mit nur zwei oder drei Stunden Schlaf durch den Tag eierte. Ich hatte erlebt, wie er im Unterricht einschlief oder in der Mittagspause. Manchmal, wenn wir zusammen liefen, war er kurz davor, im Stehen einzuschlafen. Wenn er auf ein Sportstipendium aus gewesen wäre, hätte er allen Schlaf bekommen können, den er brauchte, aber er wollte die volle Nummer nur aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten.
    Zach war nicht verrückt.
    Er hatte gesehen, was ein Sportstipendium anrichten kann. Er hatte gesehen, wie es bei seinem Bruder gelaufen war. Kaputte Knie und sein Rücken setzten ihm so zu, dass er kaum noch richtig gehen konnte. Für eine Profi-Karriere war er ausgeschieden. Seine Noten waren aber nur so lala und er hatte sich nie etwas anderes überlegt, was er machen wollte.

    Zach wollte die Wahl haben.
    Der Stamm war nicht so dick. Ich legte die Arme darum. Ich zog die Schuhe aus und umklammerte ihn mit den Fußsohlen. Ich würde da einfach wie auf einer Kokospalme hinaufklettern.
    Das war schwerer, als es aussah, aber ich war stark und es machte mir nicht viel aus, dass ich mir dabei die Hände und Füße zerschnitt.
    »Hallo, du da«, sagte Zach und beugte sich aus dem Baumwipfel zu mir hinunter, als ich gerade den ersten Ast erklommen hatte. »Soll ich dir helfen?«
    »Nee.« Ich griff nach dem Ast über meinem Kopf, zog mich hoch und umklammerte ihn mit den Beinen. Wölfe stehen vielleicht nicht so aufs Klettern, aber ich hab nichts dagegen.
    »Gut gemacht, Kleine.«
    »Danke.« Ich wischte mir die Hände an der Hose ab. »Hab dir ja gesagt, dass ich dich finde.«
    »Hast du. Du bist ein Superheld.« Er kletterte auf meine Ebene hinunter. »Stark und mutig und mit magischen Verfolgungskünsten. Ich werde deine Fähigkeiten nie wieder in Zweifel ziehen.« Dabei grinste er ironisch, aber er meinte seine Worte durchaus ernst. »Wie hast du das geschafft?«
    »Was denn?«, fragte ich und stellte mich doof. »Auf den Baum zu klettern?«
    Er schnaubte verächtlich. »Mich zu finden, Dummi. Der Park ist groß wie sonst was. Hier sind Tausende von

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