Luftschlösser
ernst genommen hatte, hatte Persephone damals nicht gestört. Männern musste man Zeit geben, um zu verstehen. Als er sich nach Abschluss seines Studiums dazu entschlossen hatte, für eine bekannte PR-Agentur in Kanada zu arbeiten, hatte er Persephones Herz gebrochen. Sie erinnerte sich an ihre letzte, unglaublich schmerzhafte, Begegnung am Tag seiner Abreise. Sie hatte ihn bekniet, bei ihr zu bleiben. Er hatte nur gelacht. Sie hatte ihn daran erinnert, dass sie für einander bestimmt waren. Er hatte lauter gelacht. Sein Abschiedsgruß hatte sich in ihr Gedächtnis eingebrannt: „Hör’ endlich auf mit diesen Hirngespinsten, Sephi! Du bist ein kleines Mädchen, ich bin ein Mann. Wir gehören nicht zusammen und werden es auch nie. Schlag’ dir diesen Unsinn aus dem Kopf und leb’ dein eigenes Leben!” Sie erinnerte sich an diese wütende Ansprache, als hätte er sie erst an diesem Nachmittag gehalten.
Danach hatte sie jegliches Interesse am anderen Geschlecht verloren. Als ihre Mitschülerinnen damit beschäftigt waren, sich ihre ersten Freunde zu suchen und Erfahrungen in der Liebe zu sammeln, hatte Persephone deWinter die große Liebe ihres Lebens bereits verloren. Es kostete sie Jahre, nicht mehr auf Charles’ Rückkehr zu hoffen, nicht mehr auf einen Anruf und nicht mehr auf einen Brief von ihm zu warten. Durch ihre Zurückhaltung und Ablehnung der Jungen, die sich für sie interessierten, war sie schnell zur Außenseiterin geworden. Sie ging nicht aus wie die anderen, sondern arbeitete lieber für ihren Vater. Edward deWinter sah, wie sehr seine Tochter litt, war sich aber anfangs noch sicher, sie würde sich wieder fangen. Als er einsah, dass der Schaden irreparabel war, den Charles’ Fortgang in seiner Persephone (er kürzte ihren Namen nie ab) angerichtet hatte, war es zu spät. Ihr Wesen hatte sich grundlegend geändert. Ein gehässiger Mensch hätte mit der Behauptung, sie sei mit 16 schon eine alte Jungfer gewesen, durchaus Recht gehabt.
Und nun sollte sie ausgerechnet mit dem Mann, der einen Teil ihrer Seele auf dem Gewissen hatte, eng zusammenarbeiten? Persephone seufzte. Wenn sie in Charles Mannings Gesicht sah, fühlte sie nichts mehr. Bestenfalls war da eine unterschwellige Wut. Schlimmstenfalls Ekel vor ihm und vor sich selbst. Immerhin, er war Single. Das war zumindest eine kleine Genugtuung.
Auch an Charles Manning nagte diese erste Begegnung seit so langer Zeit. Edward war genauso gewesen, wie er ihn gekannt und gemocht hatte - immer freundlich und immer Herr der Lage. Seine Tochter allerdings... Er erinnerte sich nur zu gut an das anhängliche Mädchen mit den wehenden blonden Zöpfen. Sie war ständig in seiner Nähe gewesen, fast wie eine kleine Schwester. Ihre Mutter hatte ihr den Floh ins Ohr gesetzt, sie beide würden eines Tages heiraten. Er selbst hatte darüber nur lachen können. Was wollte ein erwachsener Mann mit einem kleinen Mädchen? Außer der ‚Großer Bruder’-Nummer und einigen illegalen Sachen blieb nicht viel übrig. Er hatte es als das abgetan, was es war - ein Scherz. An ihre Tränen bei seinem Abschied aus New York erinnerte er sich noch sehr genau. Sie hatten ihn gerührt. Seitdem war verdammt viel Zeit vergangen.
Inzwischen war von dem kleinen Gör nichts mehr übrig. Sephi hatte die Ausstrahlung eines Eisschranks. Abgesehen davon sah sie gut aus, beinahe wie ihre Mutter. Und sie roch gut. Verdammt gut. Charles rief sich zur Ordnung. Er hatte in all den Jahren mit vielen Frauen das Vergnügen gehabt, beruflich und privat. Keine hatte ihn jedoch so feindselig behandelt wie seine alte Bekannte.
Er klappte seinen Laptop auf und suchte im Internet die Website des deWinter’schen Innenarchitekturbüros. Da war sie also. Persephone Victoria (Ah, ja, der zweite Vorname! Den hatte er vollkommen vergessen.) deWinter. Studium der Innenarchitektur und der Kunstgeschichte mit Auszeichnung abgeschlossen. Tätigkeiten in Australien, Hongkong und Kapstadt. Rückkehr nach New York und Mitarbeit in der Firma ihres Vaters. Seitdem für Großaufträge verantwortlich. Verschiedene Auszeichnungen für diverse Innenraumgestaltungen. Die Liste der Referenzen konnte sich sehen lassen - Hotels, Büros, Einrichtungen des öffentlichen Lebens, ein Palazzo in Italien, und so weiter. Sein Apartment musste auf sie wirken wie ein Lego-Bausatz, dachte Charles. Die Bilder, die es auf der Website von Persephone gab, zeigten sie meist im Kreis ihrer Auftraggeber. Wenn sie lächelte,
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