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Luises Schweigen

Luises Schweigen

Titel: Luises Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Béla Bolten
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der Sitz des Jesuitenkollegs in Trevi liegt, befindet er sich im exterritorialen Besitz des Heiligen Stuhls und wird von Schweizer Gardisten bewacht. Für die Öffentlichkeit unzugänglich und vom Vatikan weit genug entfernt, sodass nicht ständig eine Meute von Journalisten auf Nachrichten wartete, war er der ideale Platz für Geheimbesprechungen wie diese.
    Fünf der Anwesenden hatten den Rang eines Sekretärs einer der insgesamt neun Kongregationen des Vatikan inne, dazu kam Giuseppe Lamberti als Vertreter des päpstlichen Komitees für Geschichtswissenschaft und ein John bisher unbekannter wissenschaftlicher Mitarbeiter der päpstlichen Akademie der Wissenschaften. Die Kongregationen waren die wichtigsten Verwaltungsorgane der Kurie und entsprachen im weitesten Sinne den Ministerien weltlicher Staaten. Die Runde war also eine Art verkleinerte Kabinettssitzung unter der Leitung des Sekretärs der Kongregation für die Glaubenslehre, Erzbischof William Legado. Wie John, der um diese Zusammenkunft gebeten hatte, war er Amerikaner und erst seit einem Jahr im Vatikan, passte aber rein äußerlich perfekt in diese Umgebung. Mit seinem fülligen Körper und dem runden, pausbäckigen Gesicht könnte er, in eine Mönchskutte gesteckt, das Etikett eines belgischen Trappistenbieres zieren. Allerdings durfte man sich von diesem derben Äußeren nicht täuschen lassen, intellektuell war William den meisten anderen im Raum weit überlegen. Ihm fehlte nur die Erfahrung, um sich im Labyrinth der päpstlichen Kurie sicher zu bewegen. Nachdem er ein paarmal das Opfer kleinerer Intrigen geworden war, sah er sich vor und agierte äußerst vorsichtig. Entscheidungen traf er erst nach Rücksprache mit den wenigen Vertrauten, die er im weitverzweigten Verwaltungsapparat der Weltkirche hatte. Mit seinem kräftigen Bariton durchbrach er das Schweigen.
    «Nun, John, wie ich Ihrem Gesichtsausdruck entnehme, stimmen Sie der Ansicht des verehrten Kollegen Giuseppe Lamberti nicht zu.»
    John erhob sich von seinem Platz und nahm den schmalen, in kardinalsrotes Leder gebundenen Ordner in die Hand, den er vor der Sitzung an die Teilnehmer ausgegeben hatte und den er nach Ende der Besprechung wieder einsammeln würde. Es sollte nichts Schriftliches den Raum verlassen, weshalb er auch darum gebeten hatte, auf Notizen zu verzichten. Daraufhin hatten sich die Männer entspannt zurückgelehnt.
    «Nun ja, Sie haben alle gelesen, was wir bisher über den Sachverhalt wissen.»
    John wandte sich Giuseppe Lamberti zu und war froh, dass man sich am Beginn der Sitzung als Verneigung vor dem Vorsitzenden darauf verständigt hatte, die Verhandlung auf Englisch zu führen. Alle Mitarbeiter der Kurie mussten mehrere Sprachen beherrschen, drei oder vier waren die Regel, mancher Geistliche konnte aber auch in acht oder neun Sprachen komplizierte Sachverhalte darlegen. Wie die meisten Amerikaner im Vatikan war John nicht der Sprachbegabteste. In Französisch wäre es ihm schwergefallen, seinen Worten den nötigen Nachdruck zu verleihen. So aber sprach er fest und vernehmlich:
    «Wenn es stimmt, was unser Informant vermutet, handelt es sich um die größte Bedrohung, der die Kirche jemals gegenüberstand.»
    John wollte nur einen Moment warten, um seine Worte wirken zu lassen, eher er fortfuhr und die Einzelheiten des Berichts erläuterte. Diese Pause nutzte Amato Battista, leitender Sekretär der ersten Sektion des Staatssekretariats.
    «Wie oft genau diese Worte in den letzten zweitausend Jahren wohl schon in ähnlichen Gesprächsrunden und bei vergleichbaren Gelegenheiten gefallen sind?»
    Battista lehnte sich nach vorne und blickte sich in der Runde um. John spürte, dass er sich der Wirkung seiner Worte sehr sicher war. Kein Wunder, schließlich arbeitete er fast zwanzig Jahre an der Schaltstelle der vatikanischen Macht. Im Staatssekretariat liefen alle Fäden zusammen, und Battista gehörte zu den gewieftesten Taktikern der Kurie. Obwohl John ein Neuling war, durchschaute er seinen Plan. Er wollte die Diskussion so schnell wie möglich beenden, ganz gleich, ob er Johns Einschätzung über die tatsächliche Gefährdung teilte oder nicht. John wusste auch warum. In Vorbereitung dieser Sitzung hatte er mit Silvio Careggio gesprochen, mit dem er seit ihrer gemeinsamen Zeit im Priesterseminar befreundet war. Silvio arbeitete seit einigen Jahren im Staatssekretariat und interessierte sich für jede Form von Klatsch und Tratsch. John hatte für dieses Treffen sein

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