Luises Schweigen
Lieblingsrestaurant in Trastevere ausgewählt. Zwei, drei Gläser Wein würden Silvios Zunge lösen. Als sie bei den Dolci angelangt waren, fragte er beiläufig:
«Sag mal, Silvio, wie spricht man eigentlich über uns, nachdem James Bartoni zum Kardinalpräfekten ernannt wurde?»
Silvio leckte zunächst voller Andacht den Löffel ab, auf dem noch ein kleiner Rest der köstlichen Zuppa inglese klebte. Dann antwortete er in seiner direkten Art:
«Zu viele Amerikaner.»
John nickte, denn nach William als Sekretär und ihm selbst als Leiter der Informationsabteilung war auch noch der Chef der mächtigsten und ältesten Kongregation ein Amerikaner. Dem alteingesessenen italienischen «Kurienadel» war das sicher ein Dorn im Auge.
Ehe sich Silvio den nächsten Löffel Nachspeise in den Mund schob, ergänzte er:
«Obwohl du, William und auch der Kardinal italienischer Herkunft seid, hält man euch doch für ungehobelte, amerikanische Rambos.»
Diesen Rambos wollte Battista nicht das Feld überlassen. Vielmehr würde er auf die altbewährte Taktik setzen, Probleme durch die gewaltige PR-Maschinerie zu lösen, die ihm zur Verfügung stand.
Wenn aber Johns Informationen stimmten, und er hatte keinen Grund, daran zu zweifeln, reichte es diesmal nicht, ein paar Falschinformationen zu streuen und das eine oder andere Gefälligkeitsgutachten zu präsentieren.
Battista klappte den vor ihm liegenden Aktendeckel auf, warf einen Blick hinein und sagte voller Sarkasmus:
«Die meisten Anwesenden werden sich noch erinnern, dass der Vorgänger unseres verehrten John di Lucca, der seinen Posten leider nach kurzer Zeit aufgeben musste, ebenfalls den Untergang der Mutter Kirche prophezeite, als vor einigen Jahren der Sarg des Herrenbruders Jakobus auftauchte.»
Natürlich verstand John die fast unverhohlene Drohung, dass man im Vatikan schnell seine Stellung verlor, wenn man sich nicht den seit jeher geltenden Regeln unterwarf. Gefährlicher schien ihm im Moment aber die Heiterkeit, die Battistas Äußerung bei den meisten anderen in der Runde auslöste. In den unzähligen Tagungs- und Versammlungsräumen des Kirchenstaates schlug die Atmosphäre konzentrierten Arbeitens oft innerhalb von Sekunden in die Ausgelassenheit einer Männerrunde um, bei der man sich gegenseitig Anekdoten über bestandene Abenteuer erzählte. Ihm schoss ein Gedanke durch den Kopf, den er sofort wieder verdrängte: Lag es daran, dass im Vatikan die Frauen fehlten, die eine solche Männerkumpanei mit sachlicher Argumentation im Keim ersticken konnten?
«Und», kam Battista triumphierend zum Ende, «spricht heute noch jemand von dieser Angelegenheit»?
«Nein.» John sprach ein bisschen lauter und hob die Fersen leicht vom Boden, um seine mit einem Meter fünfundachtzig ohnehin nicht kleine Gestalt noch ein wenig größer erscheinen zu lassen.
«Aber es spricht nur deshalb niemand mehr davon, weil wir alles getan haben, die Sache aus der Welt zu schaffen.»
Battista gab sich immer noch nicht zufrieden, sondern erhob sich jetzt ebenfalls von seinem Platz:
«Doch ohne die Taschenspielertricks der Geheimdienste, die ihr Amerikaner uns so gerne beibringen wollt. Wir haben die ‹Sache›, wie Sie es nennen, mit den gleichen Mitteln aus der Welt geschafft, mit denen wir jede Bedrohung der letzten zweitausend Jahre beseitigt haben. Mit den Mitteln des Verstandes und den Mitteln des Glaubens.»
William Legado hatte der Auseinandersetzung schweigend zugehört. Jetzt hob er beschwichtigend die Arme:
«Bitte, liebe Brüder, setzt euch, damit wir zu einer sachlichen Debatte zurückfinden können.»
Augenblicklich kamen John und Battista der Aufforderung nach. Als Erzbischof stand Legado in der Hierarchie weit über allen Teilnehmern dieses Treffens und hatte deshalb auch die absolute Autorität.
Während er wieder Platz nahm, sah John aus dem Augenwinkel, wie Battista enttäuscht, vielleicht sogar etwas verächtlich, die Miene verzog. Sein Manöver, die Diskussion mit dem Hinweis auf eine ähnliche Affäre gleich zu Beginn zu beenden, hatte nicht funktioniert. Legados Kritik an einem unsachlichen Diskussionsteil konnte Battista nur auf sich selbst beziehen.
Bischof Legado setzte seine Brille ab und blickte freundlich lächelnd in die Runde.
«Zunächst sollten wir John di Lucca und seinen Männer danken für ihre hervorragende Arbeit. Es ist wichtig, dass wir frühzeitig darüber informiert sind, dass sich in wenigen Wochen eine öffentliche Debatte ergeben
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