Lukianenko Sergej
Gitter, spannte die Muskeln an
und versuchte, die Stäbe auseinanderzubiegen. Klein und
mager, wie er war, würde er einfach durch die Stäbe hindurchschlüpfen …
Richtig, er war klein. Und schwach. Die Stäbe gaben
nicht nach, mochte der Zahn der Zeit auch noch so an
ihnen genagt haben. Trix beschmierte sich bloß mit
feuchtem Rost und hätte sich beinahe den Kopf zwischen
den Stäben eingequetscht – wahrscheinlich sehr zur
Freude der Gefängniswärter!
Er trat ein paarmal gegen das Gitter, doch dieses bemerkte die Tritte nicht einmal.
Trix hockte sich wieder auf den Boden. Er hatte keine
Angst. Nicht, weil er von Natur aus mutig war, sondern
einfach, weil alles zu überraschend gewesen war … und
zu banal. Niemand war handgreiflich geworden. Dabei
hatte er sogar versucht, mit dem Schwert auf einen Ritter
einzustechen.
Doch der hatte ihm schon beim ersten Ausfall das
Schwert aus der Hand geschlagen. Seinen Dolch konnte
Trix dann gar nicht erst ziehen. Der kräftige Ritter bog
ihm – behutsam! – die Arme auf den Rücken und
brummte, er, Trix, solle besser keinen Widerstand leisten, sonst müsse er, der Ritter, ihm wehtun. Dann waren
noch zwei Schurken hinzugeeilt. Zu dritt hatten sie Trix
aus dem Thronsaal gebracht, sein Vater, der sich ganz
allein gegen den Rest der Angreifer zur Wehr setzte,
wurde da gerade in eine Ecke abgedrängt.
Sie hatten Trix schnell und sorgfältig durchsucht, ihm
den Gürtel und die Schnürsenkel abgenommen, die
Knöpfe abgeschnitten und das Futter der Jacke abgetastet. Anschließend wurde er ins Verlies gebracht. Nicht
ein grobes Wort hatten sie zu ihm gesagt! Im Keller hatte
bereits der Schmied gewartet. Der Hofschmied des CoHerzogs Solier! Ein mürrischer Mann, den aber niemand
unter Druck setzte. Mit seinem Hammer – daran hegte
Trix nicht den geringsten Zweifel – hätte er die drei Ritter mühelos erledigen können, die neben ihm längst nicht
mehr so kräftig wirkten.
Doch der Schmied brachte nur den Stab zum Glühen
und verlötete damit die Tür. Dann war er weggegangen –
ohne sein Werkzeug mitzunehmen, ohne sich noch einmal nach dem jungen Co-Herzog umzudrehen, ohne auf
dessen wilde Schreie zu achten. Und auch die Ritter waren
gegangen, nachdem sie die fast niedergebrannte Fackel in
einen Halter gegenüber der Zelle gesteckt hatten.
Trix rieb sich verlegen die Stirn. Er hätte besser nicht
geschrien. Schon gar nicht diese Worte. Dabei nahmen
sie sich in den Chroniken so gut aus: »Dreihundert Jahre
dienten deine Vorfahren den meinen treu und ergeben«
und »Verrat lässt dein Herz verdorren« und »Es ist die
Wahrheit, die immer siegt«.
In seinem feuchten Verlies klangen diese Worte jedoch reichlich komisch. Oben, inmitten von farbenprächtigen Gobelins und bunten Mosaikfenstern, hätten sie
sich besser angehört. Glaubte er jedenfalls.
Die Fackel begann zu rußen. Trix legte den Kopf auf
die Knie und machte sich ganz klein. Früher oder später
würden sie kommen. Jetzt ließen sie ihn mit Absicht
schmoren. Um ihn zu brechen. Das gehörte nun mal dazu.
Irgendwo wurde eine Tür aufgerissen, dann noch eine.
Trix hob den Kopf und spähte voller Hoffnung in den
Gang, durch den das helle Licht einer Lampe fiel. Ob das
die Palastwache des Co-Herzogs Solier war? Ob sie die
Rebellen überrascht und erschlagen hatte?
Ein kräftiger Mann im Kettenhemd kam zur Zelle. Sid
Kang. Der Hauptmann der Wache des Co-Herzogs Sator
Gris. Oder musste es schon heißen: der Hauptmann der
Wache des Herzogs Sator Gris?
Trix schwieg.
Auch der Hauptmann schwieg. Ein guter Soldat, das
hatte Trix’ Vater über ihn gesagt. Er war öfter am Hof des
Co-Herzogs Solier gewesen, einmal hatte er sogar einen
ganzen Tag drangegeben, um Trix den Umgang mit der
Armbrust beizubringen. Der Versuch war gescheitert, aber
Sid hatte nur die Schultern gezuckt und gesagt: »Ist nicht
deine Waffe, üb dich mit dem Schwert!«
»Weinst du?«, fragte Sid. »Nein? Gut!«
Trix grinste verächtlich. Wenn dieser Verräter – obwohl: seinem Herrn Sator Gris diente er ja treu! –, wenn
dieser mistige Soldat glaubte, der junge Co-Herzog würde losheulen wie ein Küchenjunge, der in eine Kammer
gesperrt wird, weil er Marmelade geklaut hat, dann hatte
er sich gewaltig geirrt.
Sid drehte sich nach dem Kasten mit den Schmiedewerkzeugen um. Als er sich darüberbeugte, rasselten die
feinen Stahlringe seines Kettenhemdes leise. Mit einer
riesigen Zange in der Hand richtete er sich wieder
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