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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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trägt braune Herrenmokassins ohne Strümpfe. Eine mit kleinen gelben Küken gemusterte Latzschürze bedeckt ihre gesamte Vorderseite, darunter trägt sie ein waschmaschinenfestes Kleid. Sie schiebt sich mit dem Handrücken das Haar aus der Stirn. Die gelben Küken halten allerlei Küchengeräte, Kellen und Löffel, in den Schnäbeln. Die Frau mustert uns durch die rostige Fliegentür hindurch und sagt: »Ja?«
    Helen dreht sich zu mir um. Sie sieht auch über die Schulter nach Mona und Oyster, die sich im Auto versteckt halten, das unten am Bordstein geparkt ist. Oyster flüstert in sein Handy: »Ist das Jucken konstant oder tritt es nur gelegentlich auf?«
    Helen Hoover Boyle führt die Fingerspitzen einer Hand auf ihrer Brust zusammen, wo die Masse von rosa Schmucksteinen und Perlen die Seidenbluse darunter verbergen. Sie sagt: »Mrs. Pelson? Wir kommen von Schminkwunder.«
    Beim Sprechen macht Helen mit einer Hand Bewegungen, als streue sie die Worte aus.
    Helen sagt: »Ich bin Mrs. Brenda Williams.« Mit ihren rosa Fingerspitzen streut sie die Worte nach hinten über ihre Schulter. Sie sagt: »Und das ist mein Mann, Robert Williams. Und wir haben heute für Sie ein ganz besonderes Geschenk.«
    Die Frau hinter der Fliegentür späht nach dem Kosmetikkoffer in meiner Hand.
    Und Helen sagt: »Dürfen wir eintreten?«
    Wir hatten uns das einfacher vorgestellt.
    Die ganze Herumfahrerei, in die Büchereien gehen, ein Buch aus dem Regal nehmen, damit auf die Toilette verschwinden und die Seite rausschneiden. Und runterspülen. So schnell hatten wir uns das vorgestellt.
    Bei den ersten Büchereien gab es keine Schwierigkeiten. Aber dann steht das Buch plötzlich nicht im Regal. Mit einem Bibliothekenflüstern wenden Mona und ich uns an die Ausleihe und fragen. Helen wartet mit Oyster im Auto.
    Der Bibliothekar hat langes glattes Haar, das zu einem Pferdeschwanz gebunden ist. Er trägt Ohrringe in beiden Ohren, große Piratenohrringe, und eine alte karierte Weste und sagt, das Buch sei – er blättert seinen Computerbildschirm rauf und runter –, das Buch sei ausgeliehen.
    »Es ist echt wichtig«, sagt Mona. »Ich hatte es davor ausgeliehen, und ich habe etwas darin liegen lassen.«
    Tut mir Leid, sagt der Mann.
    »Können Sie uns sagen, wer es jetzt hat?«, sagt Mona.
    Und der Mann sagt, tut mir Leid. Ausgeschlossen.
    Und ich zähle 1, zähle 2, zähle 3 ...
    Natürlich möchte jeder gern Gott spielen, aber für mich ist das ein Vollzeitjob.
    Ich zähle 4, zähle 5 ...
    Und plötzlich steht Helen Hoover Boyle am Ausleihschalter. Sie lächelt, bis der Bibliothekar von seinem Computer aufblickt, und dann spreizt sie die Hände, und an jedem Finger funkeln Ringe.
    Sie lächelt und sagt: »Junger Mann? Meine Tochter hat ein altes Familienfoto in einem Buch liegen lassen.« Sie wackelt mit den Fingern und sagt: »Sie können sich an die Vorschriften halten, oder Sie können ein gutes Werk verrichten und sich einen davon aussuchen.«
    Der Bibliothekar betrachtet ihre Finger, gebrochenes Licht tanzt in Prismen und Sternchen auf seinem Gesicht. Er leckt sich die Lippen. Dann schüttelt er den Kopf und sagt, nein, das sei es nicht wert. Die Person, die das Buch ausgeliehen habe, werde sich beschweren, und dann wird er gefeuert.
    »Wir versprechen Ihnen«, sagt Helen, »Sie werden unseretwegen Ihren Job nicht verlieren.«
    Ich warte mit Mona im Auto und zähle 27, zähle 28, zähle 29 ... anders weiß ich mich nicht davon abzuhalten, jeden in der Bücherei zu töten, um mir die Adresse selbst aus dem Computer zu holen.
    Helen kommt mit einem Blatt Papier in der Hand zum Auto. Sie beugt sich in das offene Fahrerfenster und sagt: »Ich habe eine gute und eine schlechte Nachricht.«
    Mona und Oyster, die geduckt auf der Rückbank liegen, richten sich auf. Ich sitze auf dem Beifahrerplatz und zähle.
    Und Mona sagt: »Die haben drei Stück, aber die sind alle ausgeliehen.«
    Und Helen setzt sich hinters Steuer und sagt: »Die Tricks der Klinkenputzer kenne ich alle.«
    Und Oyster schüttelt sich das Haar aus den Augen und sagt: »Gut gemacht, Mama.«
    Beim ersten Haus ging es ganz einfach. Beim zweiten auch.
    Zwischen unseren Hausbesuchen wühlt Helen im Auto in dem offenen Kosmetikkoffer auf ihrem Schoß herum und begutachtet die goldenen Röhrchen und glänzenden Dosen, ihre Lippenstifte und Schminksachen. Sie dreht einen rosa Lippenstift auf, blinzelt ihn an und sagt: »Dieses Zeug benutze ich nie wieder. Wenn ich mich

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