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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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Kontakt mit allen möglichen uralten Energien und all so was.«
    Oyster klappt das Handy auf und zieht die Antenne heraus. Er tippt eine Nummer. Unter seinem Fingernagel klebt Dreck.
    Helen beobachtet ihn im Rückspiegel.
    Mona bückt sich über ihre Knie und zerrt einen Leinwandrucksack hoch, der zwischen ihren Füßen verstaut ist. Sie nimmt ein Gewirr von Schnüren und Federn heraus. Sehen aus wie Hühnerfedern, gefärbt mit knalligen Osterfarben, pink und blau. An den Schnüren hängen Messingmünzen und schwarze Glasperlen. »Das ist ein Navajo-Traumfänger. Den mache ich jetzt grade«, sagt sie. Sie schüttelt das Gewirr, und ein paar Schnüre lösen sich und hängen frei herab. Ein paar Perlen fallen in den Rucksack auf ihrem Schoß. Rosa Federn schweben umher. Sie sagt: »Ich wollte das noch etwas mächtiger machen und habe deswegen I-Ging-Münzen genommen. Damit es irgendwie noch mehr Energie bekommt.«
    Irgendwo unter dem Rucksack, in ihrem Schoß, das rasierte V zwischen ihren Schenkeln. Die Glasperlen rollen dorthin.
    Oyster sagt ins Handy: »Ja, ich brauche die Nummer der Kleinanzeigenabteilung beim Carson City Telegraph-Star .« Eine rosa Feder schwebt an seinem Gesicht vorbei, und er pustet sie weg.
    Mona zupft mit ihren schwarz lackierten Fingernägeln ein paar Knoten auf und sagt: »Es ist schwerer, als es im Buch aussieht.«
    Mit einer Hand hält Oyster sich das Handy ans Ohr. Mit der anderen reibt er den Beutel auf seiner Brust.
    Mona zieht ein Buch aus ihrem Rucksack und reicht es mir nach vorn.
    Oyster bemerkt, dass Helen ihn immer noch im Rückspiegel beobachtet, er zwinkert ihr zu und kneift sich in die Brustwarze.
    Aus irgendeinem Grund muss ich an Oedipus Rex denken.
    Irgendwo unter seinem Gürtel der spitze rosa Stalaktit seiner Vorhaut, gepierct mit einem kleinen Stahlring. Wie konnte Helen das wollen?
    »Die alten Rancher haben hier Trespe angebaut, weil das Zeug im Frühjahr schnell gewachsen ist, da hatten sie frühes Grünfutter für ihr Vieh«, sagt Oyster mit einer Kopfbewegung zu der Welt da draußen.
    Das erste Trespenfeld gab es im Süden von British Columbia, 1889. Aber durch Feuer breitet sich das Zeug aus. Jahr für Jahr trocknet es zu Schießpulver, und Land, das früher alle zehn Jahre mal abbrannte, brennt jetzt jedes Jahr. Und die Trespe erholt sich schnell. Die Trespe liebt das Feuer. Aber die einheimischen Pflanzen, Beifuß und Wüstenphlox, die lieben es nicht. Und jedes Jahr nach jedem Steppenbrand gibt es mehr Trespe und weniger von allem anderen. Und Hirsch und Antilope, die auf diese anderen Pflanzen angewiesen sind, die sind jetzt weg. Ebenso die Kaninchen. Ebenso die Falken und Eulen, die von den Kaninchen gelebt haben. Die Mäuse verhungern, und ebenso verhungern die Schlangen, die von den Mäusen gelebt haben.
    Heute beherrscht die Trespe die Binnenwüsten von Kanada bis Nevada, sie bedeckt ein Gebiet, zweimal so groß wie Nebraska, und breitet sich jährlich um zigtausend Hektar weiter aus.
    Die große Ironie dabei ist, dass sogar das Vieh die Trespe nicht mag, sagt Oyster. Und das heißt, die Kühe fressen die sowieso schon seltenen einheimischen Büschelgräser weg. Das, was noch davon übrig ist.
    Monas Buch heißt Traditionelles Stammes-Handwerk als Hobby. Als ich es aufschlage, schweben noch mehr rosa und blaue Federn heraus.
    »Also, mein neuer Lebenstraum ist: Ich möchte einen echt graden Baum finden«, sagt Mona, in deren Dreadlocks sich eine rosa Feder verfangen hat, »um daraus einen Totempfahl oder so was zu machen.«
    »Wenn man aus der Sicht der einheimischen Pflanzen darüber nachdenkt«, sagt Oyster, »war Johnny Appleseed ein brutaler Bioterrorist.«
    Johnny Appleseed, sagt er, hätte genauso gut die Pocken säen können.
    Oyster tippt eine andere Nummer in sein Handy. Er tritt an die Rückenlehne des Vordersitzes und sagt: »Mama? Dad? Kennt ihr ein richtig schickes Restaurant in Reno, Nevada?«
    Und Helen zuckt die Achseln und sieht mich an. Sie sagt: »Der Desert Sky Supper Club in Tahoe ist ziemlich gut.«
    Oyster sagt in sein Handy: »Ich möchte eine dreispaltige Anzeige aufgeben.« Er schaut aus dem Fenster und sagt: »Drei Spalten breit, fünfzehn Zentimeter lang, und die Überschrift soll lauten: ›Achtung an alle Stammkunden des Desert Sky Supper Club‹.«
    Oyster sagt: »Die zweite Zeile lautet: ›Haben Sie sich in letzter Zeit eine fast tödliche Campylobakter-Nahrungsmittelvergiftung zugezogen? Wenn ja, rufen Sie bitte die

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