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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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nicht irre, hatte die letzte Frau da eine Ringelflechte.«
    Mona beugt sich von hinten vor, schaut Helen über die Schulter und sagt: »Sie machen das echt gut.«
    Helen schraubt kleine runde Dosen mit Lidschatten auf, betrachtet und beschnüffelt den bräunlichen oder rosa oder pfirsichfarbenen Inhalt und sagt: »Ich habe ja auch viel Übung.«
    Sie mustert sich im Rückspiegel und ordnet ein paar rosa Haarsträhnen. Dann sieht sie auf die Uhr, klemmt das Zifferblatt zwischen Daumen und Zeigefinger und sagt: »Ich sollte euch das nicht verraten, aber das war meine erste richtige Arbeit.«
    Inzwischen parken wir bei einem rostigen Wohnwagen, der mitten auf einem verdorrten, mit Plastikspielzeug übersäten Rasen steht. Helen klappt den Kosmetikkoffer zu. Sie sieht mich an und sagt: »Bereit für den nächsten Versuch?«
    In dem Wohnwagen sagt Helen zu der Frau in der Kükenschürze: »Für Sie entstehen absolut keinerlei Kosten oder Verpflichtungen«, und drängt die Frau auf ihr Sofa.
    Helen setzt sich der Frau gegenüber, es ist so eng, dass ihre Knie sich beinahe berühren. Helen nähert sich der Frau mit einem weichen Pinsel und sagt: »Ziehen Sie die Wangen ein, meine Liebe.«
    Sie greift der Frau in die Haare, packt eine Hand voll und zieht sie senkrecht nach oben. Das Haar der Frau ist blond, an den Wurzeln braun. Mit der anderen Hand zieht Helen in raschen Zügen einen Kamm von oben nach unten durch die Haare, hält dabei die längeren Strähnen fest und drückt die kürzeren braunen an der Kopfhaut zusammen. Sie packt sich die nächste Hand voll und kräuselt und toupiert so lange, bis alle Haare außer den längsten in dichtem lockigen Gewirr an der Kopfhaut anliegen. Dann streicht sie mit dem Kamm die langen blonden Strähnen über den verfilzten kurzen Haaren glatt, und schon ist die Frisur fertig: eine große flauschige Blase blonden Haars.
    Und ich sage: So macht man das also.
    Die Frisur ist identisch mit der von Helen, nur blond.
    Auf dem Couchtisch vor dem Sofa steht ein großer Strauß Rosen und Lilien, allerdings welk und braun. Die Blumen stecken in einer grünen Glasvase, wie Blumenhändler sie mitliefern, und haben nur noch etwas schwarzes Wasser. Auf dem Tisch in der Essecke stehen noch mehr große Blumensträuße, tote Stängel in klebrigem, stinkendem Wasser. An der Hinterwand des Wohnzimmers sind noch mehr Vasen auf dem Boden aufgereiht, in jeder ein grüner Schaumblock, in dem verrunzelte Rosen oder schwarze dürre Nelken stecken, alles mit grauem Schimmel überzogen. In jedem Strauß ein Kärtchen mit dem Text: In tiefstem Mitgefühl.
    Und Helen sagt: »Und jetzt halten Sie sich bitte die Hände vors Gesicht.« Sie schüttelt eine Dose und nebelt die Frau mit Haarspray ein.
    Die Frau kauert leicht nach vorn gebeugt da und sieht nichts, weil sie beide Hände vors Gesicht gepresst hat.
    Und Helen zeigt mit dem Kinn nach den Zimmern hinten im Wohnwagen.
    Und ich ziehe los.
    Sie tunkt einen Mascarapinsel in das zugehörige Röhrchen und sagt: »Sie haben doch nichts dagegen, wenn mein Mann mal Ihre Toilette benutzt?« Helen sagt: »Und jetzt schauen Sie an die Decke, meine Liebe.«
    Im Bad liegen schmutzige Kleider nach Farben sortiert auf dem Fußboden. Weiße Sachen. Dunkle. Jeans und Hemden mit Ölflecken. Handtücher und Laken und BHs. Ein rot kariertes Tischtuch. Zur Steigerung des Soundeffekts spüle ich die Toilette.
    Keine Windeln, keine Kindersachen.
    Im Wohnzimmer starrt die Kükenfrau immer noch an die Decke, nur dass sie jetzt so krampfhaft atmet, dass sie zittert. Die Brust unter der Schürze zittert. Helen streicht mit dem Zipfel eines gefalteten Papiertuchs über das wässrige Make-up. Das Tuch ist nass und schwarz von Mascara, und Helen sagt: »Eines Tages wird es besser, Rhonda. Sie können es noch nicht sehen, aber glauben Sie mir.« Sie faltet ein neues Tuch und tupft weiter und sagt: »Sie müssen sich selbst hart machen. Stellen Sie sich als etwas Hartes und Scharfes vor.«
    Sie sagt: »Sie sind doch noch jung, Rhonda. Sie müssen auf die Schule zurückgehen und diesen Schmerz zu Geld machen.«
    Die Kükenfrau, Rhonda, weint weiter mit nach hinten gelegtem Kopf und starrt an die Decke.
    Hinter dem Bad sind zwei Schlafzimmer. In einem steht ein Wasserbett. In dem anderen ein Kinderbettchen, darüber ein Mobile aus Plastikgänseblümchen. Eine weiß gestrichene Kommode. Das Bettchen ist leer. Die kleine Plastikmatratze liegt aufgerollt und verschnürt an einem Ende. Neben

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