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Lullaby (DE)

Lullaby (DE)

Titel: Lullaby (DE) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Chuck Palahniuk
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folgende Nummer an, um sich an einer Sammelklage zu beteiligen‹.«
    Dann nennt Oyster eine Telefonnummer. Er fischt eine Kreditkarte aus seinem Medizinbeutel und liest die Nummer und das Ablaufdatum in das Handy. Er sagt, man solle ihn zurückrufen, wenn die Anzeige gesetzt sei, um den fertigen Text dann noch mal telefonisch zu checken. Er sagt, die Anzeige solle nächste Woche täglich auf der Restaurantseite erscheinen. Er klappt das Handy zu und schiebt die Antenne wieder rein.
    »Genau, wie Gelbfieber und Pocken deine amerikanischen Eingeborenen hinweggerafft haben«, sagt er, »haben wir 1930 mit einer Schiffsladung Baumstämme für eine Furnierholzfabrik die holländische Ulmenkrankheit und 1904 den Kastanienkrebs eingeführt. Ein anderer pathogener Pilz vernichtet die Buchen im Osten. Der asiatische Laubholzbock, 1996 nach New York eingeschleppt, wird wahrscheinlich zum Aussterben des nordamerikanischen Ahorns führen.«
    Um den Bestand der Präriehunde im Griff zu behalten, sagt Oyster, brachten die Rancher die Beulenpest in die Präriehundkolonien, und 1930 waren 98 Prozent der Tiere tot. Die Pest hat sich weiter ausgebreitet und vierunddreißig Arten einheimischer Nagetiere ausgerottet, und Jahr für Jahr auch ein paar Menschen.
    Aus irgendeinem Grund muss ich an das Merzlied denken.
    »Ich«, sagt Mona, als ich ihr das Buch zurückgebe, »also ich steh auf die alten Traditionen. Und ich hoffe, diese Reise wird irgendwie zu meiner persönlichen Visionssuche. Und dass ich einen indianischen Namen finde«, sagt sie, »und irgendwie verwandelt werde.«
    Oyster nimmt aus seinem Hopi-Beutel eine Zigarette und sagt: »Was dagegen?«
    Und ich sage: Ja.
    Und Helen sagt: »Überhaupt nicht.« Und es ist ihr Auto.
    Und ich zähle 1, zähle 2, zähle 3 ...
    Was wir für natürlich halten, sagt Oyster, läuft alles bloß darauf hinaus, dass wir die Welt noch ein bisschen mehr umbringen. Jeder Löwenzahn ist eine tickende Atombombe. Biologische Umweltverschmutzung. Hübsche gelbe Verwüstung.
    Dass man nach Paris oder Peking fahren kann, sagt Oyster, und überall einen McDonald’s findet, das ist das ökologische Äquivalent konzessionierter Lebensformen. Jeder Ort ist der gleiche Ort. Kudzu. Zebramuscheln. Wasserhyazinthen. Stare. Burger Kings.
    Die jeweils Einheimischen, alles Einzigartige wird verdrängt.
    »Die einzige Artenvielfalt, die wir am Ende noch haben werden«, sagt er, »ist Coca-Cola gegen Pepsi.«
    Er sagt: »Wir gestalten die Welt durch einen dummen Fehler nach dem andern.«
    Oyster schaut aus dem Fenster und zieht ein Plastikfeuerzeug aus dem mit Perlen bestickten Medizinbeutel. Er schüttelt das Feuerzeug und schlägt es sich in die Handfläche.
    Eine rosa Feder aus dem Buch, ich rieche daran und stelle mir vor, dass Monas Haar genauso riecht. Ich drehe die Feder zwischen zwei Fingern und frage Oyster, der schon wieder telefoniert  – sein Rückruf bei der Zeitung –, was er da eigentlich macht.
    Oyster zündet seine Zigarette an. Er steckt das Plastikfeuerzeug und das Handy in den Medizinbeutel zurück.
    »Damit verdient er sein Geld«, sagt Mona. Sie versucht immer noch das Knotengewirr ihres Traumfängers aufzulösen. Zwischen ihren Armen, im Innern ihrer orangefarbenen Bluse, greifen ihre Brüste mit den rosa Nippeln tastend umher.
    Und ich zähle 4, zähle 5, zähle 6 ...
    Oyster knöpft sich das Hemd zu, die Zigarette klemmt zwischen seinen Lippen, die Augen blinzeln in den Rauch. Er sagt: »Ihr kennt doch Johnny Appleseed?«
    Helen dreht die Klimaanlage auf.
    Und Oyster knöpft sich den Kragen zu und sagt: »Keine Sorge, Dad. Auch ich verteile nur meine Saat.«
    Er sieht mit seinen gelben Augen in das unendliche Gelb hinaus und sagt: »Das ist nur der Versuch meiner Generation, die existierende Kultur zu zerstören, indem wir unsere eigenen ansteckenden Krankheiten verbreiten.«

20
     
    Die Frau öffnet die Tür, und Helen und ich stehen davor, ich mit Helens Kosmetikkoffer in der Hand einen halben Meter hinter ihr, während Helen den langen rosa Nagel ihres Zeigefingers ausstreckt und sagt: »Wenn Sie mir eine Viertelstunde geben, gebe ich Ihnen ein vollständig neues Ich.«
    Helens Kostüm ist rot, aber nicht erdbeerrot. Es ist eher das Rot einer Erdbeermousse mit einem Schlag Crème fraîche, serviert in einem Kompottschälchen mit Stiel. In der rosa Wolke ihres Haars funkeln Ohrringe rosa und rot in der Sonne.
    Die Frau trocknet sich an einem Küchenhandtuch die Hände ab. Sie

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