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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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Geräusch des einstürzenden Hauses verstummt war, hörten wir überdeutlich
das stete, seidige Rauschen, das die Luft förmlich vibrieren ließ. Ich hob den
Kopf und starrte geradewegs in eine schwarze, wabernde Wolke, die unheilvoll
über uns schwebte. Einen Sekundenbruchteil versuchte mein Verstand noch hartnäckig,
mir eine widernatürliche Obszönität vorzugaukeln, dann schaltete sich endlich meine
Logik hinzu und ließ mich erkennen, womit wir es wirklich zu tun hatten:
    Krähen.
Tausende von Krähen, die mit ihrer jede Vorstellung sprengenden Zahl den Himmel
verdunkelten und die Luft mit dem Flattern ihrer Schwingen schwängerten. Noch
niemals zuvor hatte ich so viele Vögel zugleich an einem Ort gesehen. Bei Gott
– ich hatte nicht einmal gewusst, dass es so viele Krähen überhaupt gab!
    Und
jedes einzelne, stechende Augenpaar war auf Kiro und mich gerichtet.
Dolchartige Schnäbel wandten sich uns zu, Krallen wurden gespreizt, Flügen in
ungeduldiger Vorfreude angelegt, Köpfe in den Nacken geworfen. Ich konnte die
Gier dieser Geschöpfe spüren, ihre zügellose Lust auf Fleisch und Blut – unser Blut.
    Dann
stürzte der Himmel ein. Ein gellendes, sich überschlagendes Kreischen ertönte
aus unzähligen Kehlen. Stöhnend presste ich beide Hände gegen die Ohren und
wandte mich ab, doch der Schrei drang mühelos und ungedämpft bis in mein
Bewusstsein vor und verwandelte meine Gedanken in ein einziges, verwirrtes
Knäuel aus Qual und nie gekannter Angst. Wie ein Tier stürzte sich der Schwarm
lotrecht in die Tiefe, eine schwarze Flutwelle, die uns schier überrollen
musste. Die Vögel brauchten nicht einmal von ihren scharfen Schnäbeln und
Krallen Gebrauch zu machen, um uns zur Hölle zu schicken; der Ansturm ihrer bloßen
Masse musste reichen, uns auf der Stelle zu töten.
    Ich
begriff augenblicklich, dass Flucht sinnlos war – dafür waren die Biester zu
nah, zu zahlreich. Entschlossen packte ich Kiros Hände, womit ich ihn zugleich
dazu zwang, sitzen zu bleiben. Er starrte mich ungläubig an, schien jedoch
etwas in meinen Augen zu lesen, das ihn überzeugte, meine wahnwitzige Handlung
nicht infrage zu stellen. Seine Haut fühlte sich eiskalt in meinen Fingern an,
war feucht von Angstschweiß.
    Ohne
darüber nachzudenken, griff ich direkt in seine aufgewühlten Gedanken hinein,
sprach geradewegs in seine Seele: Beruhige dich. Hab keine Angst. Vertrau
mir.
    Es
war das erste Mal, dass ich einen Menschen kraft meiner Gedanken zu beeinflussen
versuchte, und es ging überraschend einfach. Fast augenblicklich wurde Kiros
Atem ruhiger, das Zittern seiner Hände ließ nach.
    Mein
Griff verstärkte sich, mit zusammengepressten Lippen starrte ich in den
aufgewühlten Himmel, den mordlüsternen Vögeln entgegen. Eine erste Gruppe von
etwa fünfzig Tieren hatte sich vom übrigen Schwarm abgespalten und schoss in
rasender Geschwindigkeit auf uns zu. Nur noch dreißig Meter, zwanzig, zehn,
fünf … Ich wandte den Blick nicht ab, wappnete mich innerlich gegen den grausamen
Schmerz, der jeden Moment durch meinen Leib fahren musste und den Anfang vom Ende
einläuten würde.
    Die
Kreaturen stießen schrille Schreie des Triumphes aus, hieben mit den gigantischen
Krallen nach unseren Gesichtern – und prallten mit irren Schmerzensschreien
zurück, nur wenige Zentimeter, bevor sie uns vollends erreicht hatten.
    Mir
blieb nicht genug Zeit, mich über diesen Erfolg zu freuen, denn schon stießen
die nächsten Vögel herab, zuerst nur vereinzelt, doch dann in einem beständigen
Strom, in dem kein Anfang und kein Ende zu erkennen waren. In Gedanken
korrigierte ich meine Einschätzung, was die Zahl der Tiere anbelangte, noch
einmal um ein gewaltiges Stück nach oben. Es mussten annähernd Millionen sein.
Doch keiner der geifernden und allmählich vor Wut speienden Ungeheuer kam nahe
genug an uns heran, um uns ernsthaften Schaden zuzufügen. Unmittelbar, bevor
sie uns erreichten, schienen sie gegen eine Wand zu prallen, die zwar nicht
sichtbar, aber für sie deutlich spürbar sein musste, denn ein gutes Drittel der
Bestien stürzte mit einem wahnsinnigen Kreischen zu Boden, wo sie mit verkrümmten
Gliedmaßen liegen blieben und unter der Masse ihrer heranstürmenden Kameraden
begraben wurden. Einige der in toller Raserei verfallenen Vögel stürzten sich
sogar schrill kreischend auf ihre eigenen Artgenossen und rissen sie vor
unseren Augen buchstäblich in Stücke, nicht mehr in der Lage, zwischen Freund
und Feind zu

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