Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Stapel bloß bedrohlich und kam dann wieder zur Ruhe. Es wurde still. Sehr
still.
Wir
warteten. Aus angstvoll aufgerissenen Augen starrten wir auf die Tür und
warteten auf einen erneuten Angriff, doch er kam nicht. Endlose Sekunden
verstrichen. Das alles verschluckende Schweigen hielt an.
»Wenn
wir Glück haben«, sagte Kiro mit gesenkter Stimme, als wagte er es nicht, diese
unheilvolle Ruhe zu stören, »hat sich dieses grauenhafte Vieh bei dem Aufprall
alle Knochen im Leib gebrochen.«
»Und
wenn wir Pech haben, ist es klug genug, abzuwarten«, murmelte ich. »Es möchte
uns in Sicherheit wiegen, Kiro. Aber in Wahrheit belauert es uns. Es belauert
uns und wartet auf den richtigen Moment, um erneut zuzuschlagen.«
»Gehört
dieses … Ding zu Ihm ?«, fragte Kiro mit bebender Stimme und löste mühsam
den Blick von der einzigen Grenze, die zwischen uns und dem sicheren Untergang
lag, um mir tief in die Augen zu sehen.
Er
kannte die Antwort sehr genau, schien sie aber aus meinem Munde hören zu
wollen. Ich tat ihm den Gefallen und nickte widerwillig.
»Bei
Gott«, entfuhr es Kiro. In seinem Gesicht spiegelte sich tiefes Entsetzen, und
ich konnte förmlich sehen, wie die Gedanken hinter seiner Stirn rasten. »Aber
dann … dann ist es vorbei, Laura! Wir haben Ihm und Seinen Handlangern nicht das Geringste entgegenzusetzen! Er wird uns töten.«
»Nein,
Kiro, das wird er nicht«, widersprach ich bestimmt. » Er braucht uns, siehst
du das denn immer noch nicht?«
»Was
macht dich da so sicher?«, fragte Kiro, eine Spur lauter und deutlich schärfer
als angebracht. »Dieser Mann hat Dutzende, wenn nicht hunderte von Unschuldigen
auf dem Gewissen. Warum sollte er ausgerechnet auf uns Rücksicht nehmen?«
»Das
weiß ich nicht«, gestand ich leise. »Ich weiß nur, dass es so ist.«
»Und
woher?«, wollte Kiro wissen.
Ich
schwieg verstockt und senkte den Blick.
Kiros
Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen, und auf seine Züge schlich sich ein
Ausdruck, der mir ganz und gar nicht gefiel. Mehr denn je wurde mir bewusst,
wie radikal sich unser Verhältnis zueinander verändert hatte. Es war kälter
geworden, zwischen uns.
Sehr
kalt.
»Du
weißt mehr über Ihn , als du vorgibst«, sagte er langsam. »Gib es schon
zu! Wie stehst du mit Ihm in Verbindung? Was kannst du mir noch alles
erzählen, was du mir bisher vorenthalten hast?«
Kiros
Misstrauen verletzte mich, sehr tief sogar. Und dieses Gefühl schlug, wie es in
den vergangenen Tagen so oft der Fall gewesen war, in Bitterkeit und hilflosen
Zorn um. »Du irrst dich, Kiro«, sagte ich gepresst. »Ich weiß nichts über Ihn .«
»Ach,
nein? Für mich sieht es ganz so aus, als könntest du Seine Gedanken besser
verstehen als jeder andere von uns«, konterte Kiro. »Ja, du scheinst Ihn wirklich zu kennen.«
Ich
schloss die Augen, atmete tief ein. Meine Hände ballten sich zu Fäusten.
»Ich
habe Ihn gesehen, ein einziges Mal. Diese Begegnung hätte mich beinahe
um den Verstand gebracht, und sie hat mir nichts über Sein Wesen
verraten oder gar über Seine Pläne. Ich wünschte, es wäre so gewesen,
aber so war es nicht.«
Kiro
schwieg, aber auch ohne Worte machte er mir bewusst, dass er mir keine Silbe
glaubte.
Ich
biss mir beinahe die Zunge blutig, bei dem Versuch, meinen hilflosen Zorn
zurückzuhalten. Kiro hatte kein Recht, mich zu verurteilen. Nicht nachdem er
selbst so viel Mist gebaut hatte.
Innerlich
zwang ich mich, Ruhe zu bewahren. Nun war weiß Gott nicht der rechte Zeitpunkt,
einen Streit vom Zaum zu brechen. Einen Moment lang sah ich mich erfolglos nach
einer Sitzgelegenheit um und ließ mich schließlich mit untergeschlagenen Beinen
auf den von einer zentimeterdicken Staubschicht bedeckten Fußboden nieder. Nach
einigem Zögern und einem nervösen Seitenblick Richtung Tür tat Kiro es mir
gleich. Dabei schien jeder Muskel seines Körpers zum Zerreißen gespannt.
In
dem Versuch, mein wallendes Blut zu beruhigen, ließ ich meinen Blick einmal
ganz bewusst durch unser, zugegeben, erbärmliches Versteck schweifen. Offenbar
waren wir die ersten lebenden Wesen, abgesehen von ein paar Kellerasseln und
der einen oder anderen Spinne, die seit einem halben Menschenleben diese dem
Zerfall anheimgefallene Bruchbude betraten. Die wenigen Fenster des Raumes
waren provisorisch mit dünnen Spanholzplatten vernagelt, die schon ein Nieser
zu Staub zerfallen lassen musste; in den Ecken des teils blank sichtbaren Mauerwerkes
hatte sich der Schimmel
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