Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
während ich leise weitersprach. ›Ich wollte dir nichts tun, aber ich
kann nicht zulassen, dass du in deiner Verblendung weitere Menschenleben gefährdest.‹
Der
Rattenfänger hustete hart und bellend, und obwohl er dem Tod so nahe war, dass
er dessen eisigen Hauch im Nacken spüren musste, breitete sich plötzlich ein
schwaches Grinsen auf seinen Lippen aus. Der Anblick traf mich wie ein Eimer
Eiswasser an einem heißen Sommertag.
Bevor ich
verstand, was vor sich ging, packte der Rattenfänger meinen Knöchel mit einer
Kraft, die weit über die eines sterbenden Mannes hinausging. Ich schrie
überrascht auf und wollte mich losreißen, aber sein Griff war eisenhart.
Plötzlich spürte ich, wie ein heftiger Ruck durch mein Fußgelenk lief, gefolgt
von einem zweiten, der wie siedendes Wasser durch meine Adern schoss und sich seinen
Weg innerhalb von Sekunden durch mein Bein, meine Hüfte und meinen Bauch bahnte.
Ich keuchte auf und schaffte es endlich, die klammernde Hand des anderen wegzutreten.
Der Schweiß drang mir aus allen Poren, als ich haltlos rückwärts taumelte. Während
ich den Rattenfänger aus fassungslos geweiteten Augen anstarrte, erhob dieser
sich langsam. Mit den Händen fuhr er sich durch das erbleichte Gesicht und
leckte sich beinahe genüsslich die Lippen. Noch immer ging sein Atem etwas
mühsam, aber in seinem Gesicht war nicht mehr das geringste Anzeichen von
Schmerz zu sehen.
›So, du denkst
also, du könntest mich einfach so aus dem Weg räumen? Schrecklicher Irrtum,
Magier.‹ Seine Hände öffneten und schlossen sich begierig, und im selben Maße
spürte ich, wie in meinem Inneren etwas an meinem Rippengerüst rüttelte. Ich ächzte
und schlang meine Arme um den Bauch, als wollte ich ihn gegen die geistige
Macht des anderen abschirmen. Mit taub werdenden Fingern öffnete ich die Knöpfe
meines Mantels, legte mein schweißdurchtränktes Hemd frei.
›Denk nicht
einmal daran.‹ Der Rattenfänger mit der chronischen Pneumonie krauste unwillig
die Nase, als er spürte, wie ich meine Magie einsetzen wollte, um mich von
seinem Einfluss zu befreien. Ein unvorstellbarer Druck erwachte hinter meiner
Stirn, und ein dünner Blutfaden lief unangenehm warm aus meiner Nase. Ich ächzte
und presste die Lider zusammen. Meine geistigen Anstrengungen erstarben
augenblicklich.
›Wenn du noch
einmal versuchst, mir ins Handwerk zu pfuschen, verwandle ich deine Hirnmasse
zu Brei. Elender Bastard.‹ Der andere spuckte aus. ›Es wird Zeit, dass du deine
eigene Medizin zu schmecken bekommst.‹ Mit einem einzigen, mächtigen Ruck
schlug er seine geballten Fäuste gegeneinander.
Und meine
Rippen zerbarsten wie dünne Zweige.
Ich brüllte auf
und brach wie vom Blitz gebrochen zusammen. Knochensplitter bohrten sich von
innen durch mein Fleisch, und der Schmerz, der in meiner Bauchhöhle
explodierte, war unbeschreiblich.
›Was wirst du
nun tun, Magier?‹
Der andere kam
gemächlichen Schrittes auf mich zu, schob meinen sich krümmenden Leib mit dem
Fuß hin und her, als würde er ein interessantes, aber ekelhaftes Tier
betrachten, das er mit dem Pkw überrollt hatte.
›Wirst du um
Gnade flehen? Deine Fehler zugeben? Um dein Leben betteln? Um den Tod? ‹
Die zwei
unsichtbaren Hände wühlten sich genüsslich durch Knochensplitter, gruben sich
in aufgerissenes Fleisch, zerrten daran. Ich stöhnte und krümmte mich noch mehr
zusammen, meine Beine zuckten unkontrolliert. Die Haut meines Oberbauchs
platzte auf wie ein mit Wasser gefüllter Ballon, den man zu fest drückt, und
mein Hemd saugte sich mit einer unangenehmen Wärme voll.
›Sieh mich
gefälligst nicht so an, du Wurm!‹, spie der Rattenfänger aus. ›Du hast gewusst,
worauf du dich einlässt.‹
Die unsichtbaren
Hände tasteten sich durch meine Organe, als suchten sie etwas. Mittlerweile
hatte ich nicht einmal mehr die Kraft, um einen Laut des Schmerzes von mir zu
geben. Mit leer starrenden Augen lag ich, eingerollt wie ein Fötus, auf der
Straße. In meinem Bauchraum schien eine Splitterbombe explodiert zu sein. Ich
konnte nicht mehr atmen, nicht mehr denken.
Später würde
ich begreifen, dass der Magier mich nur deshalb nicht noch ernster verletzte,
weil er im Gegensatz zu mir nicht die geringste Ahnung von den Funktionsweisen
des menschlichen Körpers hatte. Und natürlich wollte er mich auch nicht töten –
noch nicht. Damit würde er warten, bis ich ausreichend für meine Frechheiten
gebüßt hatte.
›Ich könnte
dich in eine Ratte
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