Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
verwandeln und mit einem Fuß zertreten.‹
Der Magier
setzte seinen Schuh auf meine Brust. Rippen knirschten.
›Selbst in
dieser Gestalt könnte ich das. Was wird wohl passieren, wenn ich mich mit
meinem gesamten Gewicht auf diese Stelle stütze? Bohren sich dann
Knochensplitter in dein Herz? Deine Lunge? Sag es mir, ich bin sicher, du weißt
es.‹
Ich gab ein
röchelndes Husten von mir. Meine Augenlider flatterten, ein hoher Summton ertönte
in meinen Ohren. Ich konnte die Stimme des anderen zwar hören, aber ihr keinen
Sinn mehr abgewinnen. Zuerst entfernte sich der Schmerz, dann wich auch die Welt
vor mir zurück. Ein dunkelroter Schleier senkte sich über mein Gesichtsfeld.
Gott sei Dank ,
durchzuckte es mich. Ohnmacht. Endlich Ohnmacht.
›Mach
gefälligst die Augen auf, du Wicht!‹ Klatschend wurde mein Kopf von einer
Ohrfeige zur Seite gerissen, meine Schläfe prallte gegen Asphalt. Blut füllte
meinen Mund. Mit dumpfem Entsetzen stellte ich fest, dass sich die Dunkelheit
ringsum tatsächlich ein Stück zurückzog, murrend und widerwillig zwar, aber sie
tat es.
Die wühlenden
Hände verschwanden aus meinen Organen.
›Mit dir macht
das überhaupt keinen Spaß‹, stellte er missmutig fest. ›Du wehrst dich ja
überhaupt nicht.‹
Er verkrallte
seine Finger in meinem Haar und zog meinen Kopf vom Boden hoch, sein faulig
riechender Atem schlug mir ins Gesicht. Deutlicher denn je hörte ich das
Rasseln seiner Lungen.
›Nutzloses
Stück Dreck.‹ Er spuckte aus, und ein Speichelfaden klatschte gegen meine
Wange.
Er ließ mein
Haar wieder los, mein Schädel schlug auf dem Beton auf. Seltsamerweise war es
das widerwärtige Gefühl seines warmen Speichels auf meiner Haut, das mich dazu
bewegte, schwach einen Arm zu heben, um die Flüssigkeit instinktiv von der
Wange zu wischen.
Der
Rattenfänger, dem meine Anstrengungen nicht entgingen, setzte hämisch grinsend
einen Fuß auf mein Handgelenk, dass es knirschte.
›Da scheint ja
doch noch ein wenig Willenskraft in diesem Sack Knochen zu stecken. Bemüh dich
nicht. Für einen Haufen Gehacktes wie dich lohnt es sich nicht mehr, sein
Gesicht sauber zu halten.‹
Ich wollte
etwas erwidern, aber alles, was ich hervorbrachte, war ein feuchtes Röcheln.
Ich klang wie der verdammte Rattenmann. Wenn ich das alles überleben sollte,
würde ich niemals wieder einen Patienten mit Lungenentzündung behandeln können.
›Ich hätte
erwartet, dass mir das hier mehr Spaß macht.‹ Der Rattenfänger seufzte und nahm
seinen Fuß von meinem Arm. ›Die Nacht ist noch jung, und ich habe noch so
einige andere Knochen zu brechen. Gewiss amüsierst du dich hier auch ohne mich.‹
Er sah erbarmungslos auf mich herab. ›Jetzt darfst du schlafen.‹
Damit wandte er
sich ab und ließ mich blutend und innerlich zerschmettert in der Gosse liegen.
Ich sog tief
und feucht gurgelnd Luft in meine Lungen, dabei explodierte mein Brustkorb in
einem Leuchtfeuer der Pein. Wieder zogen finstere Schleier am Rande meines
Bewusstseins auf, aber diesmal kämpfte ich willentlich darum, sie beiseitezuschieben.
Ich schloss die
Augen, versuchte mich zu sammeln, tastete mich innerlich ab und schätzte den
Schaden ab, den der Wahnsinnige angerichtet hatte. Mein Brustkorb war ein
einziges Schlachtfeld, aber wie durch ein Wunder hatte der Kerl in seiner
Unwissenheit keine irreparable Verwüstung in meinem Körper angerichtet. Ich
konnte überleben. Wenn es mir gelang, jene Quelle der Energie in mir aufzustöbern,
die mich schon aus vielen ausweglosen Situationen gerettet hatte, würde ich es
schaffen.
Ich stöhnte,
und es gelang mir, mich in eine halb sitzende Position hochzustemmen. Schweiß
lief mir in Strömen über das Gesicht, und mir war, als würden sich Dutzende
spitze Drähte in mein Fleisch bohren. So musste sich ein Spielzeug fühlen, auf
das ein unvorsichtiger Erwachsener getreten war.
Blutung
stillen , befahl ich mir selbst. Konzentrier dich, Andreas. Wenn du die
Wunde nicht schließt, blutest du hier aus wie ein Schwein. Einen schönen
Festtagsbraten würdest du abgeben!
Angestrengt
biss ich die Zähne zusammen, und eine wohlige Wärme begann sich von meiner
Körpermitte auszubreiten. Neuer Schmerz durchfuhr meinen Leib, als Wundränder
sich einander annäherten, sich zusammenfügten. Einen solchen Akt magischer Leistung
zu vollbringen, hatte ich bisher stets für Wunschdenken gehalten. Todesangst
verlieh einem nicht nur körperlich übermenschliche Kräfte.
Ich schrie
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