Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
den Nacken bei dem Versuch, den
anderen ein Stück Haut aus der blassen Hand zu reißen.
»Nun
beruhige dich doch, Laura. Ich will dir nichts Böses, kapierst du das nicht?
Warum sonst hätte ich dir helfen sollen? Also reiß dich zusammen und nimm
menschliche Gestalt an, damit wir uns wie zwei vernünftige Wesen unterhalten
können.«
Ich
fauchte.
»Vertraust
mir nicht, was? Andreas hat mich geschickt, Laura. So nennst du ihn
doch, nicht wahr? Andreas.«
Ich gurrte
widerstrebend.
Der nackte
Bekannte mit dem schwarzen Haar betrachtete mich sinnend, dann schien er zu dem
Schluss zu gelangen, dass ich mich einigermaßen beruhigt hatte, und setzte mich
wieder zurück auf den Boden.
Hitze schoss
durch meine Adern, als ich die Verwandlung des anderen nachvollzog, und innerhalb
weniger Lidschläge stand auch ich bloß und menschlich vor ihm. Sofort schlang
ich meine Arme um meinen nackten, frierenden Leib. Meine Augen verengten sich
zu schmalen Schlitzen, als ich den anderen nun auf gleicher Höhe betrachtete.
Ich hatte zwar keinen Schnabel mehr, trotzdem hätte ich ihm noch immer nur zu
gerne die Augen ausgepickt.
»Mike«, spie
ich aus.
Andreas´ Aufzeichnungen
»Die Laternen, welche um uns
herum die Straßen säumten, begannen heftig zu flackern, und ein eiskalter
Windhauch zerzauste mein langes Haar. Meine Brust hob und senkte sich hektisch,
meine Hände ballten sich zu Fäusten, meine Beine stemmten sich mit aller Kraft
in den Asphalt unter mir. Die Anspannung in der Luft war so heftig, dass sie
mir wie feine elektrische Ladung auf der Zunge knisterte.
›Du begehst
einen schweren Fehler, Magier‹, zischte der Rattenfänger. ›Diesen Kampf kannst
du nicht gewinnen.‹
Der Wind nahm
an Kraft zu, entwickelte sich zu einem heftigen Sturm, der an meiner Kleidung
zerrte und mich zu Boden reißen wollte. Auch mein Widersacher wankte sichtbar,
während er einige Schritte zurücktrat und die ausgebreiteten Arme mit den nach
oben gekehrten Handflächen auf Hüfthöhe hob.
›Ich kann mir
nicht erklären, wie es geschehen konnte, dass ein bedauernswerter Irrer wie du
eine solche Macht erlangt hat‹, sagte ich. ›Aber hier ist dein Weg endgültig zu
Ende, Abtrünniger. Du hast genug Leid verursacht.‹
Der
Rattenfänger schüttelte den Kopf, seine Augen sprühten vor Mordlust. ›Mein Werk
ist noch lange nicht vollendet, Magier, und wer sich mir in den Weg stellt,
muss sterben.‹
›So sei es denn‹,
stellte ich ruhig fest, dann sandte ich die erste Welle der Energie gegen
meinen Gegner.
Der
Rattenfänger keuchte überrascht und stolperte rückwärts, von meinem plötzlichen
Angriff überrumpelt. Augenblicklich setzte ich nach, und auf meinen geöffneten
Handflächen entzündeten sich kleine, blaue Flammen, die wie Irrlichter in die
Finsternis hinausschwebten. Beinahe sanft drangen sie in die Brust meines
Widersachers ein, der immer noch gegen den Verlust seines Gleichgewichts ankämpfte.
Es war mir
zutiefst zuwider, diese Art der Magie anzuwenden, doch ich wusste, wenn ich es
nicht tat, würden noch hunderte Unschuldige zu Schaden kommen.
Der
Rattenfänger stieß einen röchelnden Laut aus und sank in die Knie. Seine Hände
tasteten über seinen Brustkorb, über jene Stellen, an denen die beiden
Flämmchen eingedrungen waren. Seine Augen weiteten sich überrascht.
Ich habe viele
Jahre lang Medizin studiert, daher wusste ich nur zu gut, was nun in seinen
Organen geschah. Das, was für das menschliche Auge wie Feuer aussah, war in
Wahrheit nichts anderes als geballte Energie, die sich nun an seinen von der
Kälte der Gosse verätzten Lungen zu schaffen machte. Gelenkt durch meinen
Geist, ließ eine der Flammen sich auf seiner Vena pulmonalis nieder und blockierte
diese, während die andere sich um die Arteria pulmonalis schloss und sie abdrückte.
Auf diese Weise würde der Blutkreislauf von Lunge zu Herz zum Erliegen kommen,
und mein Gegner würde langsam ersticken. Wenn man seine Leiche später fand,
würde man als Todesursache nichts weiter feststellen als einen ordinären Lungeninfarkt.
›Es tut mir
leid, dass es so weit kommen musste‹, sagte ich zu dem Mann zu meinen Füßen,
der wie ein Fisch auf dem Trockenen nach Luft japste. Seine Augen waren
geradezu lächerlich geweitet, sodass ich fürchtete, sie könnten platzen. Es tat
weh, ein fühlendes Wesen so zu sehen, aber ich hatte keine Wahl. Behutsam
verstärkte ich meinen geistigen Griff um Vene und Arterie, um sein Leiden zu
verkürzen,
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