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Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)

Titel: Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Melanie Vogltanz
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zurückzufinden.
    »Halt«,
krächzte ich – oder hätte es getan, wenn ich noch eine menschliche Stimme
gehabt hätte. »Bleib stehen, du Dieb!«
    Der
Vogel vor mir stieß einen gackernden Schrei aus und legte noch weiter an Tempo
zu. Ich zerbiss einen Fluch im Schnabel und tat ein Gleiches. Es fiel mir
schwerer und schwerer, meinen Widersacher durch die sichtraubenden
Regenschleier zu erkennen, und immer wieder wurde ich von bedrohlich nahen,
grellen Blitzen geblendet, die mir für kostbare Sekunden das Augenlicht raubten.
Der andere dagegen schien seinen Weg blindlings zu finden.
    Gerade
als ich glaubte, die Verfolgung aufgeben zu müssen, wenn ich nicht doch noch
als breiige Masse auf dem Beton enden wollte, ließ sich der Vogel vor mir ein
wenig zurückfallen, sodass ich aufholen konnte. Nachdem ich meine letzten Kraftreserven
mobilisiert hatte, hatte ich mich auf gleiche Höhe mit dem anderen gebracht,
und er drehte seinen Kopf zu mir, um mich mit bernsteinfarbenen Augen
anzufunkeln. Da ich ihm nun so nahe war, erkannte ich ihn augenblicklich wieder
– es handelte sich um exakt dieselbe Krähe, die wiederholt Kiros und meinen Weg
gekreuzt hatte. Ich war mir dessen völlig sicher, denn ich nahm das Tier nicht
nur mit meinen physischen Augen wahr, sondern erspürte auch einen geistigen Abdruck
auf dem Wesen, der einmalig und unverkennbar war.
    »Krah!«,
drang es aus seinem Schnabel.
    »Du
willst tatsächlich landen?« Ich glaubte kaum, was ich da hörte. »Aber warum?«
    »Krah!«
    In
einer wahnwitzigen Spirale ließ sich die Krähe aus dem Himmel fallen, und um
sie nicht aus den Augen zu verlieren, blieb mir keine andere Wahl, als das
irrwitzige Manöver nachzuvollziehen. Panik drängte in meiner Kehle hoch, als der
Erdboden zum zweiten Mal innerhalb kürzester Zeit ungebremst auf mich zuraste,
und meine Krallen verkrampften sich, als wollten sie sich an den Winden festklammern.
    »Krah!«
Im letzten Moment fächerte die Krähe ihre weiten Flügel aus und vollführte
einen eleganten Bogen, der sie vor einem unsanften Aufprall bewahrte. Seidig
glitt sie knapp über dem Beton entlang, ehe sie allmählich langsamer wurde und
schließlich mit flatternden Flügeln auf dem Asphalt aufsetzte.
    Ich
selbst stellte mich weit weniger geschickt an. Viel zu spät entfaltete ich meine
Flügel, meine Krallen schleiften über den Beton, und ich wurde mit einem Ruck
nach vorne gerissen und überschlug mich mehrere Male. Erst, als ich mir jeden
Knochen im Leib angeknackst zu haben schien, kam ich auf dem Rücken und
ausgestreckt wie ein geköpfter Hahn zum Erliegen.
    »Uff«,
stieß ich atemlos hervor.
    Hopsend
näherte sich mir die Krähe und blickte von oben auf mich herab, wobei sie ihren
Kopf schieflegte und mit ihren winzigen Augen blinzelte. »Krah?«
    Ich
hatte keine Arme, um abzuwinken, also drehte ich mich mühsam herum, sprang auf
die Beine und schüttelte mich, dass Federn flogen. Meine Flügel brannten wie
Feuer von der wilden Verfolgungsjagd, und meine Knochen schmerzten vom harten
Aufprall.
    Und
doch – es hätte viel, viel schlimmer ausgehen können.
    »Krah.«
    Nachdem
die Krähe sich versichert hatte, dass ich unversehrt war, zuckte ihr Kopf zur
Seite. Ich folgte der Bewegung mit den Augen und sah, dass der Overall mit dem
kostbaren Inhalt nur wenige Meter entfernt im Gras lag.
    »Du
hast das Buch gerettet. Aber wieso?« Aufgeregt hopste ich von einem Bein aufs
andere.
    Die
Krähe flatterte heftig mit den Flügeln, dann warf sie ihren Kopf so weit in den
Nacken, dass ihr Kropf sichtbar von innen gegen die gefiederte Haut des Halses drückte.
Ein schauderliches Knacken und Krachen ertönte, als die Gliedmaßen des Tieres
plötzlich länger wurden, sich verformten. Federn fielen massenweise aus seiner
Haut und bedeckten den Boden wie ein schwarzer Teppich.
    Einen
halben Herzschlag später stand ein nackter, mir nicht unbekannter Mann vor mir.
    Sofort
spannten sich meine Muskeln an, und all meine Sinne schalteten auf Flucht. Doch
ich hatte nicht einmal Gelegenheit, mich vom Boden abzustoßen, als der
schwarzhaarige Mann bereits seine Hände um mich schloss und mich beinahe
behutsam auf den Arm hob. Ich wollte hysterisch um mich hacken, aber der andere
hielt lachend meinen Kopf zwischen seinen Fingern umklammert. Ich fühlte mich
wie ein Huhn in den Händen des Schlachters.
    »Na,
na, was sind denn das für Manieren? Geht man etwa so mit einem alten Bekannten
um?«
    Ich
krächzte heiser und verrenkte mir beinahe

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