Luna Atra - Der schwarze Mond (German Edition)
Schläfen und schlugen rote
Funken an seiner Haut, als ich die bereits geöffnete Ader in seinem Kopf noch
weiter aufriss.
›Verdammt,
stirb endlich!‹, brüllte ich wie von Sinnen.
Ein krachender
Blitz fuhr nur wenige Meter entfernt von uns in die Erde und ließ zischend den
Asphalt verdampfen. Er war aus dem Nichts gekommen. Rotes Licht ließ meinen
Körper in der Dunkelheit erstrahlen, die Macht, die ich heraufbeschwor,
schüttelte mich heftig. Ich spürte die Lebenskraft des Rattenmannes, die schier
unerschöpflich schien, obwohl sie längst hätte erlöschen müssen, und die Angst
befiel mich, dass dieser Mann vielleicht so mächtig war, dass nichts ihn töten
konnte.
› Stirb! ‹
Ein
schauderliches Knacken ertönte, dann zerplatzte der Schädel des anderen
zwischen meinen zupackenden Händen, und Hirnmasse, Blut und Knochensplitter spritzten
warm gegen meinen Rücken und meinen Hinterkopf. Noch immer konnte ich ihn
hinter mir nicht erkennen, und in diesem Moment dankte ich Gott dafür.
Die gierig
züngelnde Flamme, die die Lebenskraft des Rattenmannes war, schrumpfte auf
einen Schlag zusammen. Ein schauderhaftes Heulen und Jaulen erhob sich in
meinem Kopf, und ein letztes Mal krallten sich die Hände des mächtigen Magiers
in meinen Hals.
Ein finales,
krampfhaftes Zucken lief durch seine Glieder, der Griff seiner Finger löste
sich, und mit einem beinahe enttäuschten Seufzen kippte der Rattenfänger nach
hinten. Es klatschte widerlich nass, als sein Körper auf dem Boden aufschlug.
Mit einem
Schrei fiel ich vornüber und blieb in warmer, organischer Feuchtigkeit liegen.
Der Aufprall trieb die gesplitterten Rippen tief in meine inneren Organe, aber
es war mir gleich. Meine magische Seele war so ausgezehrt von der übermenschlichen
Leistung, die sie vollbracht hatte, dass auch mein Lebenslicht nur noch glimmende
Glut war. Ich schloss die Augen und war bereit, zu sterben.«
Kapitel V
Der Regen badete meinen bloßen
Körper, wusch das Blut von meiner Haut. Immer wieder lugte ich aus den Augenwinkeln
zu dem nackten Mann, der sich ruhigen Schrittes neben mir herbewegte und mir
seltsam ähnlich sehen musste mit seinem langen, dunklen Haar, das ihm durch die
Feuchtigkeit platt am Kopf klebte. Für einen außenstehenden Beobachter erschienen
wir gewiss wie Zwillinge. Die Zwillinge der Apokalypse.
Der Sturm hatte
mittlerweile noch zugenommen, daher mussten wir uns zu Fuß, in menschlicher
Gestalt, fortbewegen. Für Mike, der ein weitaus erfahrenerer Vogel war, hätten
der beißende Wind und die sichtraubenden Regenschleier kein Hindernis
dargestellt, doch ich hätte mich keine fünf Minuten in der Luft halten können. So
gingen wir also einträchtig im Adamskostüm nebeneinander her.
»Du warst also
immer da, genau vor unseren blinden Augen.« Ich hatte das Bedürfnis, laut zu
lachen. Manchmal waren die Dinge so viel einfacher, als es den Anschein hatte.
»Ich habe euch
stets beobachtet.« Mikes Stimme war seltsam leise, beinahe flüsternd, was es
erschwerte, ihn über das Rauschen des Regengusses zu verstehen. Er hatte sich
sehr verändert, seit ich ihn das erste und letzte Mal gesehen hatte – der
Wahnsinn und die Leere waren aus seinen Augen verschwunden, und seine
Bewegungen waren fließend, nicht mehr von einer fremden Hand gelenkt. Er war
nun ein freier Mann, sofern man das von jemandem behaupten konnte, der sich
einer dunklen Macht verschworen hatte.
»Das ist meine
Aufgabe. Ich beobachte. Und ich urteile. Wenn mir das, was ich sehe, nicht
gefällt, strafe ich auch.«
Eine heftige
Gänsehaut lief über meine Glieder, die nur zum Teil mit der beißenden Kälte zu
tun hatte. Fröstelnd schlang ich die Arme um meinen Oberkörper.
»Erzähl mir mehr
von dir«, forderte ich.
Mike wandte den
Kopf und sah mich lange an. »Warum sollte ich das tun?«
»Weil wir nun
Gefährten sind.«
»Du hast den Einzigen
verärgert, Laura. Ihn aus deinen Gedanken vertrieben.«
Ich lächelte
schwach. »Was unterscheidet mich dann von dir?« Rasch hob ich eine Hand, als
Mike zu einem Widerspruch ansetzte. »Ich weiß genau, dass du damals, als du
mich auf dem Ball überrascht hast, unter Seinem Einfluss standest. Aber
du hast dich von Ihm gelöst, auch das sehe ich deutlich und klar.
Trotzdem stehst du noch immer in Seinen Diensten.«
Mike
betrachtete mich sinnend.
»Und du
ebenfalls?«, fragte er.
Ich dachte
einen Augenblick über diese Frage nach, nickte dann. »Ja. Ja, ich denke, bei
mir ist
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